Neuer Schrein für den Heiligen Anno

Ein streitbarer Heiliger

Erzbischof Anno lebte im 11. Jahrhundert und war bei den Kölnern recht unbeliebt, er galt als machtgierig und starrsinnig. Er wird aber auch als Heiliger verehrt. Jetzt hat er einen neuen Schrein auf dem Michaelsberg in Siegburg bekommen.

Generalvikar Markus Hofmann inzensiert den neuen Anno-Schrein  (KSI)
Generalvikar Markus Hofmann inzensiert den neuen Anno-Schrein / ( KSI )

DOMRADIO.DE: Der Heilige Anno war von 1056 bis 1075 Erzbischof von Köln, er war einer der mächtigsten Männer seiner Zeit. Bis heute erzählen sich die Kölner Geschichten, wie er einen großen Bürgeraufstand blutig niederschlagen ließ und den Sohn von Kaiser Heinrich III. entführte, um seine Macht zu vergrößern. Trotzdem wurde er nach seinem Tod von Papst Lucius III. heiliggesprochen. Was machte ihn zu einem Heiligen?

Fabian Wilquin (Theologe und religionspädagogischer Mitarbeiter in der Siegburger Schatzkammer): Anno war Zeit seines Lebens ein polarisierender Mensch. Aber er war, im Gegensatz den Bischöfen heute, Politiker und Geistlicher zugleich. Er war Regent des Heiligen Römischen Reiches und gleichzeitig Erzbischof von Köln. Das war eine schwierige Gratwanderung und das hat ihn auch ausgezeichnet.

Das kommt besonders in Siegburg zum Tragen: Anno war zwar ein „Haudrauf“, der auch nicht davor zurückschreckte, nach einem Aufstand die halbe Stadt Köln blenden zu lassen. Aber in Siegburg ist Anno immer wieder das geworden, was uns alle berührt: Dort kam er zur Ruhe, hat auf Gott geschaut und die Chance genutzt, sich immer wieder neu zu bekehren, zu bereuen und zu beichten: In Siegburg wurde besonders diese heilige Persönlichkeit Annos sichtbar: Der Büßer im Bußgewand, der bei Tisch die Mönche bediente, anstatt sich bedienen zu lassen. Und das hallt bis heute in Siegburg in der Heiligenverehrung nach.

DOMRADIO.DE: Siegburg war Annos Lieblingsstadt. Er hat auf dem Michaelsberg eine Abtei gegründet, wo er nach seinem Tod im Jahr 1075 auch beigesetzt wurde. Welche Bedeutung hat Anno denn für die Siegburger?

Wilquin: Grundsätzlich ist das geschichtliche Wissen über Anno in Siegburg nicht besonders groß. Ich beobachte eine gewisse Geschichtsvergessenheit, die wenigsten wissen noch, wer Anno war. Ich merke das auch bei meinen Führungen: Ich arbeite in der Schatzkammer von Sankt Servatius, die den Reliquien-Schatz des Heiligen Annos birgt und da werden die Augen der Besucher immer groß, wenn sie als Siegburger erfahren, dass er derjenige war, der mit der Abteigründung den Anstoß für die Stadtgründung gegeben hat.

Gleichzeitig sind die Siegburger stolz auf ihren Anno, das merkt man auch. Da hallt so eine Art kurkölnisches Selbstbewusstsein nach: Man ist nicht irgendwer, man ist Siegburger. Aber woher das kommt, ist teilweise in Vergessenheit geraten. Aber ich sage bewusst teilweise, um das nicht zu pauschalisieren.

DOMRADIO.DE: Dieser Geschichtsvergessenheit wirkt sicher auch der neue Anno-Schrein entgegen, in den seine Gebeine jetzt feierlich überführt wurden. Eine Art „Buchstabenhaus“, in dem der vergoldete Reliquienkasten hängt, geschaffen vom US-amerikanischen Künstler Brody Neuenschwander. Warum brauchte es denn einen neuen Schrein?

Wilquin: Annos Gebeine waren bislang kunstvoll in einer barocken Eisentruhe „geparkt“. Das ist kein Vergleich zu dem neuen Schrein, der an jetzt feierlich vom Kölner Generalvikar Markus Hofmann eingesegnet wurde. Ich finde, dieser Schrein ist eine Investition in die Zukunft, er ist eine Re-Kontextualisierung der eigenen Geschichte. Damit schaut das Erzbistum zurück auf seine eigenen Wurzeln und es ist zugleich ein großer Beitrag gegen die bereits erwähnte Geschichtsvergessenheit. Und sozusagen eine Investition in die kulturelle Identität.

Wenn wir beispielsweise asiatischen Länder blicken, die für viel Geld ihre Tempelanlagen restaurieren, um nach ihrer kulturellen und religiösen Identität zu forschen, brauchen wir uns hier nicht zu verstecken.

DOMRADIO.DE: Sie wirken ganz begeistert. Was ist denn das Besondere an diesem neuen Schrein?

Wilquin: Ja, ich bin wirklich begeistert. Da kommt meine kirchenpädagogische Ader zum Vorschein. Weil der Schrein verschiedene Epochen vereint: Er hat die mittelalterliche Form eines Hauses, Stichwort: „Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen“, wie es Christus im Johannesevangelium sagt. Und das greift der Schrein auf, ohne bei diesen mittelalterlichen Bebilderungen stehen zu bleiben.

Das ist einerseits schade, aber andererseits entwickelt es auch einen neuen Anspruch für die Kirche: denn die Wände dieses Hauses bestehen aus Buchstaben, die das Anno-Lied abbilden, das seine Biografie besingt. Ich lade wirklich alle ein, sich das mal anzugucken: Diese Biografie beschönigt nichts, sie thematisiert auch, was Anno in seinem Leben nicht so gut gemacht hat. Und das finde ich besonders, das ist das Alleinstellungsmerkmal dieses Schreins, ein künstlerischer Paradigmenwechsel. Und gleichzeitig symbolisiert er, dass Kirche durchlässig wird: sie wird lichtdurchflutet und man darf dieses Haus auch anfassen. Hier wird Geschichte greifbar und ein Heiliger macht sich berührbar. Und das ist letztlich der Anspruch, den Kirche an sich selbst haben sollte: berührbar zu werden, Zeugnis zu geben, wie die Biografie des Heiligen Anno das macht, um dann wirklich auch authentisch Christ zu sein. Und ich denke, auch mit Blick auf den pastoralen Zukunftsweg ist dieser Schrein eine gute Sache.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Fabian Wilquin, Theologe und religionspädagogischer Mitarbeiter in der Siegburger Schatzkammer / © Ina Rottscheid (DR)
Fabian Wilquin, Theologe und religionspädagogischer Mitarbeiter in der Siegburger Schatzkammer / © Ina Rottscheid ( DR )

Darstellung des Heiligen Anno / © Ina Rottscheid (DR)
Darstellung des Heiligen Anno / © Ina Rottscheid ( DR )
Quelle:
DR