DOMRADIO.DE: Es geht um Binnenflüchtlinge, die vor der islamistischen Terrormiliz Boko Haram geflohen sind. Wie unterstützen Sie als Hilfswerke diese Menschen dort?
Bettina Tiburzy (missio Aachen): Ja, die sind 2014 geflohen, haben beim Bischof Zuflucht gesucht und leben seit sieben Jahren auf dem Gelände der Kirche. Wir haben da Nothilfe mit Unterstützung für Lebensmittel geleistet. Und wir haben für 86 dieser Familien Häuser gebaut, eine Schule und jetzt auch eine Kirche.
DOMRADIO.DE: Wie haben die Menschen da vorher gelebt, bevor das Dorf gebaut worden ist? Wie waren sie da untergebracht?
Tiburzy: Sie waren in provisorischen Häusern, es waren provisorische Siedlungen. Teilweise waren es Plastikwände und Wellblechdächer. Das war alles nicht sehr fest und es war auch keine dauerhafte Lösung.
DOMRADIO.DE: Wie müssen wir uns die Zustände da vorstellen?
Tiburzy: Die Leute hatten natürlich nur einen ganz kleinen Raum für sich, in dem sie teilweise mit acht oder neun Personen leben mussten. Sie hatten keine richtigen Einkünfte, sie mussten versorgt werden. Das sind größtenteils alles Bauern und die hatten halt keine Gelegenheit, hier Farmen aufzubauen und Ackerbau zu betreiben. So waren sie auch auf Lebensmittel angewiesen. Es gab auch eine Schule. Der Bischof hat dafür gesorgt, dass alle Kinder in die Schule gehen konnten und hat sie untergebracht in Schulen. Das war aber auch schwer, weil dann Corona kam und alle Schulen zugemacht wurden.
DOMRADIO.DE: Jetzt hat Bischof Stephen Mamza ein Dorf für geflüchtete Christen und Muslime, mit 86 Häusern, Kirche, Schule und einer Moschee gebaut. Das hat für sehr viel Aufsehen gesorgt. Warum?
Tiburzy: Es ist in Nigeria natürlich nicht das Normale, dass ein Bischof hingeht und eine Moschee baut. Es ist so entstanden: Der größte Teil dieser Flüchtlinge sind Christen und für die hat er eine Kirche gebaut. Dann sind die elf muslimischen Familien auf ihn zu gekommen und haben gesagt: Wir würden aber auch gerne ein Gotteshaus für uns haben. Dann wollte der Bischof Stephen Mamza auch ein politisches Zeichen setzen.
Er hat sich das ganz genau überlegt. Er wollte auch ein Zeichen für religiöse Toleranz setzen und erwartet auch, dass die muslimischen Führer besonders im Norden des Landes, wo die Christen es oft nicht einfach haben, auch religiöse Toleranz walten lassen. Wo dann zum Beispiel auch mal eine Kirche gebaut werden oder Land gekauft werden kann. Das ist ein bisschen problematisch für Christen im Norden.
DOMRADIO.DE: Christen haben in Nigeria durchaus unter Diskriminierung zu leiden. Wie wichtig ist dann eine solche Geste für das Miteinander der Religionen im Land?
Tiburzy: Das ist absolut wichtig, denn es gibt da viele Spannungen zwischen den Religionen - zwischen Christen und Muslimen. Es gibt viele Missverständnisse und deswegen ist es umso wichtiger, wenn jemand wie ein katholischer Bischof wirklich deutlich macht, dass Religionsfreiheit für ihn ein ganz festes Bestandteil seines Wirkens und seines Tuns ist. Nigeria ist eigentlich ein säkularer Staat. Das vergessen aber viele Leute immer. Deswegen erhofft sich der Bischof, dass die muslimischen Führer im Norden jetzt auch einen Schritt auf die Christen zumachen.
DOMRADIO.DE: Es hat sich also schon vieles zum Positiven verändert. Was muss in der Zukunft noch geschehen?
Tiburzy: Es wäre schön, wenn dieses Zusammenleben von Christen und Muslimen gerade dort, wo es viele Konflikte gibt, wo es um Land, Wasser und wirklich um das Überleben geht, wenn diese Dinge nicht alle an der Religion festgemacht werden. Meistens ist der Anlass für diesen Streit ein ganz gewöhnlicher Streit. Wenn es um Land geht, geht es für die Leute auch wirklich ums Überleben, denn es wird immer wärmer in dieser Region.
Das Land wird immer weniger. Es ist auch so, dass diese Bevölkerung sehr rasant wächst. Nigeria ist das bevölkerungsreichste Land in Afrika und diese Ressourcen werden immer knapper. Nun ist es aber leider so, dass es oft vorkommt, dass Politiker diese Religionsspannungen für sich nutzen, um diese Konflikte, die bereits bestehen, weiter anzuheizen. Deswegen ist es ganz wichtig, dass solche Zeichen für Toleranz, Zusammenleben und Zusammenhalt gesetzt werden und dass diese Spaltung nicht weiter voranschreitet.
Das Interview führte Carsten Döpp.