Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki pflichtet dem Bundesvorsitzenden der Grünen, Robert Habeck, hinsichtlich dessen jüngsten Forderungen nach einer akuten Nothilfe für Flüchtlingskinder in Griechenland bei: "Ich denke, dass es ihm gelungen ist, erneut auf eine der größten Krisen unserer Tage aufmerksam zu machen, auf die Flüchtlingskrise", betonte Woelki gegenüber DOMRADIO.DE.
Medial sei die Krise fast in Vergessenheit geraten. Auch das Sterben im Mittelmeer gehe weiter, ergänzte der Kölner Erzbischof.
Habeck hatte sich in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" dafür stark gemacht, bis zu 4.000 Kinder von den Ägäis-Inseln zu holen. Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, sprach von einer "akuten Nothilfe" für unbegleitete Kinder und Jugendliche und kritisierte den Verweis der Bundesregierung auf eine europäische Lösung: "Wenn keiner sich bewegt, ist niemandem geholfen. Daher sollte Deutschland sich bewegen."
In den Aufnahmelagern im Osten der Ägäis sind nach Angaben der griechischen Regierung etwa 40.000 Menschen untergebracht, obwohl nur Platz für 7.500 Flüchtlinge ist. Die humanitäre Lage gilt als dramatisch. Unter den Betroffenen sollen auch mehr als 4.000 Minderjährige sein, die dort ohne ihre Eltern ausharren.
Leben unter inhumanen Umständen
Deshalb fordert auch Kardinal Woelki eine sofortige Nothilfe: "Ich finde, dass diesen Menschen tatsächlich geholfen werden muss, und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt! Innerhalb Europas müssen wir dort Solidarität zeigen."
Es sei ein nicht haltbarer Zustand, dass in den Flüchtlingslagern Menschen in dieser Weise leben müssen, kritisierte Woelki: "Hier muss Europa endlich handeln und wir dürfen die Verantwortung nicht auf andere abschieben! Auch mit Geld können wir uns von unserer Verantwortung nicht freikaufen, indem wir das auf andere abdrücken".
Schick: "Nicht bethlehemkonform"
Auch der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick hat an das Schicksal von Flüchtlings- und Kriegskindern erinnert. Das Weihnachtsfest sei ein Protest gegen jede Vernachlässigung von Kindern, sagte Schick laut Mitteilung vom Montag. Er nannte explizit die Flüchtlingskinder, die unter schlimmsten Bedingungen in Griechenland lebten, sowie jene Kinder in Syrien und im Irak, die seit ihrer Geburt nichts anderes als Krieg erlebt hätten und viele Tage und Nächte in Angst vor Bomben in Kellern verbringen müssten: "Nur zu sagen, weil andere nichts tun, tun wir auch nichts, ist nicht bethlehemkonform."
Dies gelte ebenso für die Kinder, die von Islamisten wie Boko Haram oder Al-Nusra in Afrika entführt und missbraucht würden, aber auch für Millionen Kinder, die weltweit hungerten und zur Arbeit gezwungen würden anstatt die Schule zu besuchen. "Aber auch vor der eigenen Haustür werden Kinder vernachlässigt, misshandelt oder gar in den eigenen Familien getötet", so der Erzbischof.
"Weihnachten mit dem Kind in der Mitte kann man nur ehrlichen Herzens feiern, wenn man sich um die Kinder kümmert und sorgt", fügte Schick hinzu. Es brauche Achtsamkeit im eigenen Umfeld, damit schnell entdeckt werde, wenn es Kindern nicht gut gehe oder sie schlecht behandelt würden. Außerdem appellierte der Erzbischof an Politiker und alle Verantwortungsträger, "den Kindern mit allen Möglichkeiten hier bei uns und durch Entwicklungshilfe und entsprechende Politik in den armen Ländern beizustehen, sie vor Schaden zu bewahren und ihnen Zukunft zu ermöglichen".
Bedford-Strohm fordert humanitäre Lösung
Auch nach Ansicht des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, muss eine humanitäre Lösung für Flüchtlingskinder in Griechenland gefunden werden. "Wenn die Regierungen dort es nicht schaffen, Zustände herzustellen, in denen die Menschen in Würde leben können, dann sollten alle zusammenhelfen", sagte der bayerische Landesbischof am Montag in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk in München.
Bedford-Strohm plädiert für eine schnelle Lösung und unterstützt die Forderung von Grünen-Chef Robert Habeck, Flüchtlingskinder nach Deutschland zu holen. Es sei "Zeit, humanitäre Zeichen zu setzen", betonte der Bischof.
"Es gibt Bundesländer, es gibt Ministerpräsidenten, die haben ja längst erklärt, dass sie bereit sind, Kinder und Familien mit ihren Kindern aufzunehmen. Diese Bereitschaft sollte man annehmen und abrufen", sagte Bedford-Strohm. Zugleich verwies der Theologe darauf, dass auch die Heilige Familie vor 2.000 Jahren eine Flüchtlingsfamilie gewesen sei.
Bundesregierung sucht "nach europäischer Lösung"
Schon Anfang des Monats hatten die Landesinnenminister aus Niedersachsen, Berlin und Thüringen auf die humanitäre Notlage hingewiesen und ihre Hilfe bei der Aufnahme von unbegleiteten Minderjährigen angeboten - und ihr Angebot in einem weiteren Brief vom 20. Dezember erneuert.
Berlin bekräftigte am Montag ausdrücklich seine Bereitschaft, bis zu 70 unbegleitete Minderjährige in die Hauptstadt zu holen. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) will 50 Kinder und Jugendliche aufnehmen. Ähnliche Signale kommen auch aus Baden-Württemberg.
Die Bundesregierung erteilte entsprechenden Forderungen eine Absage. "Wir suchen für die Zukunft nach einer europäischen Lösung", betonte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Montag in Berlin. "Deutschland kann das nicht im Alleingang."