In unterschiedlichen Formaten, mal in Präsenz, mal digital, mal in Regionaletappen, dann in Gesamtrunden, wurden Beobachtungen, Ängste, Hoffnungen und Vorschläge zusammengetragen.
Vieles wurde gesagt und angehört, manches in die insgesamt sieben Abschlusstexte übernommen. Die sieben Schlussdokumente der "kontinentalen Etappe der Weltsynode" vermitteln trotz fehlender einheitlicher Systematik einen faszinierenden Eindruck vom aktuellen Zustand der katholischen Kirche. Den es in dieser Weise noch nie gab.
Inhaltliche Überschneidungen bei Themen und Konflikte
Ob in Europa, Nord- oder Lateinamerika, ob im Nahen Osten in Afrika, Asien oder in Ozeanien - fast überall gibt es inhaltliche Überschneidungen bei Themen und Konflikte, aber auch sehr verschiedene Herangehensweisen und Schwerpunkte.
Aus ihm muss nun ein 20-köpfiges Expertenteam im Auftrag des vatikanischen Synodensekretariats bis Ende Mai das sogenannte Instrumentum laboris (Arbeitspapier) für die im Oktober in Rom erstmals tagende "Welt-Synode" zum Thema Synodalität zusammenstellen.
Es ist zu erwarten, dass ab diesem Punkt manche der kontinentalen Ergebnisse in den Hintergrund treten werden. Die Aufmerksamkeit der Teilnehmer und Beobachter konzentriert sich künftig auf die Frage, welche Elemente auf Weltebene durchdringen und am Ende ihren Weg in ein "römisches" Schlussdokument finden.
Zudem ist zu erwarten, dass die Regie bei der Weltsynode stärker darauf achten wird, dass die Debatte wieder auf das eigentliche Thema fokussiert wird: die Synodalität.
Eine Art Verfassungsreform der katholischen Kirche
Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich eine Art Verfassungsreform der katholischen Kirche. Sie war spätestens seit dem Ersten Vatikanischen Konzil (1869-1870) zentralistisch dem päpstlichen Primat untergeordnet - was dann beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) um die Ebene der bischöflichen "Kollegialität" ergänzt wurde.
Die Struktur der Kirche soll nun um eine aktive und irgendwie gleichberechtigte Mitwirkung des "Volkes Gottes" ergänzt werden. Eine solche wurde beim Zweiten Vatikanum zwar angekündigt, aber nicht im Detail ausgeführt.
Das soll nun die Weltsynode zur Synodalität liefern. Inhaltliche Reformwünsche wie eine Änderung der Zölibatsvorschrift für Priester oder die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern gehören eigentlich nicht zur Aufgabenbeschreibung dessen, was die Weltsynode diskutieren und entscheiden soll.
Dennoch sind während der kontinentalen Etappe der Weltsynode derartige Sachthemen in allen Teilen der Weltkirche explizit angesprochen worden. Deshalb lohnt sich ein Blick in die "Kontinentaltexte". Sie zeigen, wo derzeit in der katholischen Kirche Reformdruck oder zumindest Diskussionsbedarf angezeigt wird.
Zu diesen Themen zählt Klerikalismus, den Papst Franziskus in seinem Pontifikat als eines der Hauptübel in der katholischen Kirche identifiziert hat. Er wird in fast allen Kontinentalpapieren als Problem angezeigt, wobei interessanterweise auch vor einem Klerikalismus bei kirchlichen Laien-Funktionären gewarnt wird.
Verbunden ist die Kritik am Klerikalismus mit der Forderung, ihn durch bessere theologische Bildung der Laien zu überwinden, damit die vom Konzil propagierte gleiche Würde von "Laien" und "Klerikern" auch faktisch realisiert werden kann.
Auch der Wunsch nach einer Änderung der Zölibatsvorschrift für den "lateinischen" Teil der katholischen Weltkirche kommt in mehreren Kontinentalpapieren zur Sprache, insbesondere in Lateinamerika, in Afrika und in Europa.
Rolle der Frauen in der Kirche
Beinahe omnipräsent ist die Problemanzeige zur Rolle der Frauen in der Kirche. Allerdings tut sich dort eine große Bandbreite auf: Die generelle Zulassung von Frauen zu Weiheämtern wird in einigen Ländern Europas, in Nordamerika und in Australien als Wunsch geäußert, in Lateinamerika und Neuseeland ist die Rede von Frauendiakonat, in anderen Teilen der Weltkirche spielt das Thema in den Dokumenten keine Rolle.
Eine Konstante ist auch die Debatte über die Frage, ob angesichts der vielfältigen Veränderungen beim Menschenbild in der postmodernen Ära die "authentische Lehre der Kirche" in ihrer überlieferten Form verkündet werden muss - oder ob Öffnungen und Veränderungen ins Auge gefasst werden sollen. Hier gibt es auch innerhalb einzelner Weltregionen klare Gegensätze.
So forderten Teilnehmer aus Osteuropa eher die "klare Kante", während mehrere Teilnehmer aus Westeuropa sich für Öffnungen und Änderungen aussprachen.
Ein vergleichbares Muster zeigte sich in Ozeanien, wo in Australien Offenheit für Veränderungen signalisiert wurde, während in Papua-Neuguinea das Festhalten an der reinen Lehre als wünschenswert angezeigt wurde.
Frage nach dem Umgang mit sexuellen Minderheiten
Dieser Gegensatz betrifft insbesondere die Frage nach dem Umgang mit sexuellen Minderheiten, die unter dem Kürzel LGBTQ zusammengefasst werden. Während etwa die Teilnehmer im Nahen Osten kritisch anmerken, dass es "aus der LGTBQ-Gemeinde zur Übertragung von Ideen und Konzepten aus der westlichen Welt sowie einer Verbreitung der Gender-Theorie" in den Raum der Kirche komme, plädierten die Versammlungen in Teilen Lateinamerikas, Europas und Nordamerikas für eine größere Offenheit - zumindest dahingehend, dass sich die Angehörigen dieser Minderheiten nicht länger aus der Kirche ausgeschlossen fühlen sollten. Ähnliches gilt für Menschen, die in zweiter Ehe leben.
Überraschend häufig kommt in den Papieren eine ganz andere Erfahrung der Ausgrenzung zur Sprache. Sie betrifft jene Gläubigen, die den alten lateinischen Ritus als alternative Frömmigkeitsform entdeckt haben und sich nun durch das harte Durchgreifen von Papst Franziskus gegen diesen Sonderweg marginalisiert fühlen. Dieses Phänomen wird unter anderem in Europa und in Nordamerika benannt.
Das Thema des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch Kleriker und des katastrophalen Umgangs der kirchlichen Vorgesetzten mit diesen Fällen kommt in den meisten Kontinentalpapieren zur Sprache.
Zahlreiche regionale Besonderheiten
Nur selten wird dies verbunden mit der Aufforderung, dies auch strukturell zu bekämpfen. So wurde etwa in Lateinamerika die Forderung nach einem Aufbrechen der geschlossenen Welt der Priesterseminare vorgebracht. Die aus Deutschland benannte Idee, die "systemischen Ursachen des Machtmissbrauchs" anzuerkennen und daraus "spirituelle und strukturelle Konsequenzen" zu ziehen, bleibt in den Papieren singulär.
Zahlreiche regionale Besonderheiten haben zwar ihren Weg in die Kontinentaltexte gefunden, aber wenig Chancen auf Ebene der Weltsynode Beachtung zu finden. Dazu zählt das Problem der Polygamie, das in Afrika und Papua-Neuguinea benannt wird - verbunden mit der Frage, wie Anhänger dieser Lebensweise sich in der Kirche heimisch fühlen können.
Das vom Synodensekretariat vorgegeben Motto der Kontinentaletappe "Mach den Raum deines Zeltes weit", entlehnt aus dem Buch des Propheten im Alten Testament, hat offenbar dazu geführt, dass das Ringen um Inklusivität der Kirche (und deren theologische Grenzen) zu einer Art Leitmotiv wurde. In mehreren Regionen wurde vorgeschlagen, die Metapher des Zeltes durch das Bild der Kirche als Familie zu ersetzen.