Bei anderen Organisationen würde man vermutlich von einem "Putsch von oben" sprechen. Das Wort beschreibt jedenfalls treffend, was Papst Franziskus am Samstag beim Souveränen Malteser-Ritterorden durchgezogen hat: Mit einem Federstrich hat er die Leitung abgesetzt, ein neues provisorisches Führungsgremium ernannt und einen Termin für ein Generalkapitel zum Zweck der Neuwahl festgelegt.
Gleichzeitig hat er die von 1961 stammende Verfassung durch eine neue ersetzt, und mit demselben Federstrich auch den sogenannten Codex des Ordens, eine Art interne Grundordnung, neu gefasst.
Angeordnete Sonderstellung für sogenannte Professritter
Während der "Statthalter" des Großmeisters, der Kanadier Fra'John Dunlap, die Dankbarkeit des Ordens für die päpstlichen Reformschritte betonte, sind aus den mittleren Rängen, insbesondere in Deutschland, weniger freudige Töne zu vernehmen. Hinter vorgehaltener Hand wird nicht nur die als kompromisslos beschriebene Art und Weise kritisiert, mit der Franziskus vorgegangen sei. In der Sache gebe es manche handwerkliche Fehler und Annahmen, die unrealistisch seien.
Hauptkritikpunkt ist die vom Papst angeordnete Sonderstellung für die sogenannten Professritter; also jene Mitglieder des Ordens, die ähnlich wie Mönche feierlich Keuschheit, Armut und Gehorsam gelobt haben. Die Leitungsämter sollen sich künftig überwiegend aus diesem Kreis rekrutieren - und das, obwohl die Gruppe schon jetzt sehr überschaubar ist und zumeist aus Hochbetagten besteht. Ganze 17 Professritter weltweit sollen unter 70 Jahre sein - was den Kader für mögliche Führungskräfte drastisch einschränkt.
Schon jetzt scheint klar, dass der vom Papst gewollte Umbau des Malteserordens zu einem eher "religiösen" Orden nur dann gelingen kann, wenn künftig wieder mehr junge Menschen in den Kreis der "Professritter" hinzustoßen und das dafür notwendige Noviziat durchlaufen.
Ersatzlose Streichung der Sonderrechte von Adligen
Ein anderer Schritt der vom Papst angeordneten "Normalisierung" der Malteser ist die ersatzlose Streichung der Sonderrechte von Adligen im Orden. Mussten nach der alten Verfassung der Großmeister bzw. sein Stellvertreter zwingend Adlige mit entsprechendem Stammbaumnachweis sein, findet sich eine vergleichbare Anforderung weder in der neuen Verfassung noch im neuen Codex. Für keinen der drei "Stände" des Ordens ist nun die adlige Abstimmung noch eine Voraussetzung für die Mitgliedschaft. Mit dieser Reform will der Papst offenbar eine Schieflage beseitigen. Die herrschte insbesondere zwischen den europäischen Gliederungen - wo Adlige oft den Ton angeben - und denen in der Neuen Welt, wo es schlicht keine Adelsfamilien gibt.
Die bislang dominante Stellung europäischer Adliger im Malteserorden war Stärke und Last zugleich. Viele Adlige verfügen über exzellente Verbindungen in Politik, Militär- und Finanzwelt, sind vielsprachig und weltgewandt. Im Malteserorden setzten sie dies im Sinne des Ordens und seiner weltweiten Wohltätigkeits-Aktivitäten gewinnbringend ein. Doch neben den Tugenden waren bei den Maltesern auch manche Laster des Adels präsent; von Vetternwirtschaft über eine gewisse Demokratie-Skepsis bis hin zu einer Hinneigung zum Alkohol.
Papst kann eingreifen
Ob adlig oder nicht - alle Leitungsfiguren des Ordens müssen nach der neuen Verfassung über wichtige Dinge dem Papst Rechenschaft geben. Er kann, wie jetzt geschehen, bei Schieflagen in den Orden eingreifen.
Rücktritte, Neuwahlen etc. sind ihm anzuzeigen. Die Eigenheit des Ordens als Souveränes Völkerrechtssubjekt bleibt dennoch - zumindest formal - erhalten.
Noch ist völlig offen, ob der traditionsreiche Malteserorden die Rosskur überlebt, die ihm der Papst aus Argentinien verordnet hat.
Ähnlich wie bei der neuen Verfassung der vatikanischen Kurie soll der Jesuit und Jurist Gianfranco Ghirlanda (80) die neuen Verfassungs- und Regelwerke des Ordens in weiten Teilen entworfen und formuliert haben. Ihn hat der Papst an jenem Wochenende zum Kardinal befördert, an dem er den Malteserorden mit einem Ruck auf neue Füße stellte.
Kirchenrechtlich ist Ghirlandas Regelwerk vermutlich kaum angreifbar.
Aber ob es in der Praxis des weltweit karitativ tätigen Ordens tragfähig sein wird, muss sich erst erweisen.