Eine theologische Betrachtung zum Fest der Kreuzerhöhung

Jenseits allen Leids gibt es Hoffnung

Das Kreuz ist ein zentrales Symbol des christlichen Glaubens. Ein Tag im Kirchenjahr lädt dazu ein, besonders darauf zu schauen. Jedes Jahr am 14. September begehen Christen weltweit das Fest der Erhöhung des Heiligen Kreuzes

Autor/in:
Fabian Brand
Dunkle Wolke über einer Jesus-Figur am Kreuz (shutterstock)
Dunkle Wolke über einer Jesus-Figur am Kreuz / ( shutterstock )

Hoch und erhaben thront er über der brasilianischen Stadt Rio de Janeiro: der Cristo Redentor. Selbst wer noch nie in Brasilien war, kennt die Bilder der großen, weißen Christusstatue sicher aus dem Fernsehen oder Internet. 30 Meter hoch ist die Figur, die 1931 erbaut wurde und seitdem auf einem Berg stehend die Stadt überragt. 50 Jahre lang war sie die höchste Christusstatue der Welt. 28 Meter beträgt die Spannweite der Arme, die Christus ausbreitet, als wolle er die ganze Welt umarmen. So steht er da und wacht über die Stadt und die Menschen, die hinaufkommen, um in einer Kapelle im Sockel der Statue zu beten.

Christusstatue in Rio de Janeiro / © Leonardo Carrato (KNA)
Christusstatue in Rio de Janeiro / © Leonardo Carrato ( KNA )

Hoch und erhaben auf dem Kreuz thronend - so irritierend uns das heutzutage erscheinen mag: So oder so ähnlich haben Künstler Christus im Lauf der Jahrhunderte immer wieder dargestellt. Thronend als Heiland der Welt, der am Kreuz verherrlicht und dort zur Rechten des Vaters erhöht wird. In einem Lied im alten Gotteslob hieß es sogar: "Du König auf dem Kreuzesthron, Herr Jesus Christus, Gottes Sohn".

Triumph über den Tod - oder Bild des Leids?

Über einen langen Zeitraum haben viele Bildhauer Christus am Kreuz nicht als einen Leidenden und Sterbenden dargestellt, sondern ihn mit einem goldenen Reif gekrönt. Der Sieger über den Tod hat in seinem Sterben am Kreuz den Tod vernichtet: Das sollte mit solchen Darstellungen zum Ausdruck kommen.

Mit den biblischen Berichten über das Leiden und Sterben Jesu hat das relativ wenig zu tun. Denn die Kreuzigung war eine sehr grausame Art zu sterben. Gemartert und gegeißelt stirbt Christus am Kreuz, heißt es in den Evangelien. Und zeitgenössische Berichte von nichtchristlichen Autoren aus der Zeit Jesu geben einen Einblick, wie gewaltsam so eine Kreuzigung tatsächlich abgelaufen ist.

Königliche Würde 

Eine königliche Würde am Kreuz - die verleihen Christus nur die Soldaten, um ihn zu verspotten und mit ihm ihren Spaß zu treiben. Christus am Kreuz: Das ist eine Leidensgeschichte, die mit der Ohnmacht und dem Leid so vieler Menschen konfrontiert. 

Kreuzigungsaltar im Kölner Dom / © Dombauhütte / Foto: Matz und Schenk (Kölner Dom)
Kreuzigungsaltar im Kölner Dom / © Dombauhütte / Foto: Matz und Schenk ( Kölner Dom )

Nicht umsonst ist der Karfreitag in der Liturgie der Kirche einer der stillsten und andächtigsten Tage. Wenn wir auf das Leid von Menschen schauen, können wir oft nur schweigend verstummen. Die Qualen der Kreuzigung verschlagen Menschen die Sprache.

Das Tor zum neuen, ewigen Leben

Dass das Leben Christi alles andere als erhaben und thronend war, davon gibt Paulus in seinem Philipperhymnus Zeugnis: Christus"entäußerte sich und wurde wie ein Sklave (...), er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz" (Phil 2,7f). Da ist die Rede davon, dass Christus selbst in die Niedrigkeit des Lebens hineingeht, dass er sich klein und gering macht.

Er, der Gott gleich ist, begibt sich hinab in die Niederungen menschlichen Lebens, um dort allen alles zu werden. Er teilt das Leidder Ohnmächtigen, er erfährt die Qualen größter Erniedrigung am eigenen Leib. Selbst das Schicksal des Todes nimmt er auf sich, um es mit den Menschen zu teilen. Er geht in den Tod hinein, um in seinem Sterben das Tor zum neuen, ewigen Leben zu eröffnen.

Leid und Hoffnung sind untrennbar

Das Fest der Kreuzerhöhung lädt Jahr für Jahr ein, den Blick neu auf das Kreuz Christi zu richten. Christinnen und Christen dürfen und sollen sich daran erinnern, dass das Leben Jesu eben kein Spaziergang war. Die goldene Krone haben ihm erst Künstler späterer Jahrhunderte aufgesetzt. Er selbst hatte nur die Dornenkrone auf dem Haupt.

Und doch: Er, der sich selbst erniedrigt, wird erhöht in Ewigkeit. Er trägt den Namen, der größer ist als alle Namen. Vor ihm beugen sich alle Mächte im Himmel und auf Erden. Das ist die Hoffnung, die uns leben lässt: dass wir teilhaben an diesem Lebensschicksal Christi, der die finsterste Nacht erträgt, aber erhöht wird in Ewigkeit. Der Blick auf das Kreuz zeigt den leidenden und sterbenden Christus.

Durch das Kreuz hindurch wird aber auch Ostern erahnbar. Es lässt sich erkennen, dass es jenseits der Leiden dieser Welt eine Hoffnung gibt, die uns leben lässt: die Hoffnung, dass wir mit ihm zusammen hoch und erhaben thronen dürfen in seiner Herrlichkeit, wenn er wiederkommt in Ewigkeit.

Quelle:
KNA