Wer an diesem Samstag die Heilige Messe mitfeiert, wird sich über die liturgische Farbe Rot vermutlich nur dann wundern, wenn es sich um die Abendmesse handelt, die samstags für gewöhnlich als Vorabendmesse zum Sonntag gefeiert wird. Dort, wo das verantwortliche Personal zuvor in das Direktorium geschaut hat und sich auch gewissenhaft an diese Vorgaben hält, wird nämlich nicht die Vorabendmesse vom 24. Sonntag im Jahreskreis, sondern die Heilige Messe vom Fest Kreuzerhöhung gefeiert.
Nicht geprägte Sonntage, also die liturgisch grün gefärbten im Jahreskreis, werden durch sämtliche Hochfeste verdrängt, stehen aber über den Festen der Heiligen, wie auch am vergangenen Sonntag das Fest Mariä Geburt wegen des Sonntags, auf den es in diesem Jahr gefallen ist, ausfiel. Doch es gibt vier datumsgebundene Feste im Kirchenjahr, die als Herrenfeste gelten und daher über dem gewöhnlichen Sonntag stehen: das Fest der Darstellung des Herrn am 2. Februar, das Fest der Verklärung des Herrn am 6. August, das Fest der Kreuzerhöhung am 14. September und der Weihetag der Lateranbasilika am 9. November.
Zwei oder drei Schriftlesungen?
Fallen diese Feste auf einen Sonntag im Jahreskreis, entfällt dieser und das Fest beginnt mit der Ersten Vesper am Samstagabend, sodass es auch eine Vorabendmesse gibt. Wegen des Sonntags enthält die Messliturgie dann auch zwei Schriftlesungen vor dem Evangelium und das Glaubensbekenntnis, was wochentags nicht der Fall wäre. In diesem Jahr aber fällt Kreuzerhöhung auf einen Samstag. Das bedeutet für die Liturgie, dass die Vesper an diesem Tag vom Fest genommen und somit auch die Abendmesse nicht als Vorabendmesse vom Sonntag gefeiert wird.
Macht also eine Liturgie mit insgesamt drei Schriftlesungen und dem Glaubensbekenntnis am Samstagabend Platz für ein werktägliches Setting mit nur zwei Schriftlesungen und ohne Glaubensbekenntnis? Die Direktorien der einzelnen Bistümer geben hier unterschiedliche Auskünfte. Während in den Bistümern Köln, Paderborn und Münster kein gesonderter Hinweis zur Abendmesse am Samstag enthalten ist, gibt der liturgische Fahrplan des Erzbistums München und Freising die klare Anweisung, dass in einer Vorabendmesse vom Sonntag heute "ebenfalls das Formular von Kreuzerhöhung" zu nehmen sei. Die werktags zur Auswahl stehenden Schriftlesungen aus dem Buch Numeri und dem Philipperbrief sind dann beide zu nehmen und auch das Glaubensbekenntnis sei zu sprechen bzw. zu singen. Außerdem ende am Fest Kreuzerhöhung traditionell der Wettersegen.
Auffindung durch Kaisermutter Helena
Das Fest Kreuzerhöhung geht in seinen Ursprüngen auf den Bau der Grabeskirche in Jerusalem unter Kaiser Konstantin zurück. Der Legende nach soll das Kreuz Jesu Christi durch Kaisermutter Helena am 13. September des Jahres 326 aufgefunden worden sein. Neun Jahre später wurde an diesem Datum die Grabeskirche geweiht, am folgenden Tag in ihr das Kreuz aufgerichtet und dem Volk gezeigt. Diese Erhöhung wurde daraufhin jedes Jahr am 14. September begangen und bildete bei der Kreuzverehrung eine Art Gegenpol zum Karfreitag.
Als im Jahr 614 die Truppen des Perserkönigs Chosrau II. in Jerusalem einfielen, wurde die Grabeskirche zerstört und die Kreuzreliquie verschleppt. Nachdem aber der oströmische Kaiser Herakleios 627 Chosrau II. besiegt hatte, brachte er im Folgejahr das zurückgewonnene Kreuz zunächst nach Konstantinopel und später wieder nach Jerusalem. Ob es dort verblieb oder später doch wieder ins damals sicherere Konstantinopel zurückgebracht wurde, ist nicht ganz klar.
Vielerorts Verehrung von Kreuzreliquien
Sicher ist nur, dass in den darauffolgenden Jahrhunderten viele Kreuzreliquien an vielen Orten verehrt wurden, sodass alle zusammengefasst einen ganzen Wald bilden müssten. Die größten heute bekannten Kreuzreliquien befinden sich im Vatikan, auf dem Berg Athos, in Brüssel, Venedig, Gent, Paris und Limburg.
Während in Jerusalem das Fest der Kreuzerhöhung seinen Ursprung hat, wurde es im 7. Jahrhundert von Rom übernommen und auf den 14. September festgelegt. An diesem Tag werden auch in der Westkirche vielerorts Kreuzreliquien verehrt. Die Hymnen in der Stundenliturgie ("Pange lingua" und "Vexilla regis") am Fest Kreuzerhöhung sind dieselben wie in der Karwoche, welche aus der Feder des Dichters und Bischofs von Poitiers Venantius Fortunatus stammen. Mancherorts wird im Vesperhymnus "Vexilla regis" in der bekannten fünften Strophe "O crux, ave, spes unica" die Passage "hoc passionis tempore" am Fest Kreuzerhöhung durch "in hac triumphi gloria" ersetzt.
Bleibt schließlich die Frage, ob diejenigen, die am Samstagabend um ihre Sonntagvorabendmesse geprellt werden, am Sonntag noch einmal die Heilige Messe mitfeiern müssen, um die Sonntagspflicht zu erfüllen. Das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz teilt dazu auf Anfrage unter Verweis auf Can. 1248 § 1 CIC mit, dass die Sonntagspflicht "durch die Teilnahme an einer Messe am Vorabend eines Sonntags erfüllt" ist, "unabhängig davon, welches Formular an diesem Tag verwendet wird." – Glück gehabt!