EKD-Chefin Kurschus warnt vor christlichem Antisemitismus

"Keimt in unserer Mitte"

Zu Beginn ihrer Synodentagung unterstreicht die Evangelische Kirche in Deutschland ihr "Nein zu Antisemitismus". Die Ratsvorsitzende Annette Kurschus meint, Antisemitismus käme aus der "christlichen Geschichte".

Annette Kurschus / © Harald Oppitz (KNA)
Annette Kurschus / © Harald Oppitz ( KNA )

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat sich entschieden gegen Antisemitismus gestellt und zugleich Selbstkritik geübt. Jeder Versuch, das Massaker der Hamas gegen Juden im Nahen Osten vom 7. Oktober zu relativieren, sei Antisemitismus.

"Jedes 'Ja, aber' verharmlost", sagte die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus am Sonntag in Ulm zu Beginn von viertägigen Beratungen der EKD-Synode in Ulm. Antisemitismus habe seine Wurzeln "nicht bei den anderen" und blühe nicht nur in kleinen extremen Gruppen.

Fahnen mit arabischer Schrift, die in ihrer Gestaltung der Taliban-Flagge ähneln, wehen bei einer Pro-Palästina-Kundgebung am 03.11.2023 in Essen / © Christoph Reichwein/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (dpa)
Fahnen mit arabischer Schrift, die in ihrer Gestaltung der Taliban-Flagge ähneln, wehen bei einer Pro-Palästina-Kundgebung am 03.11.2023 in Essen / © Christoph Reichwein/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ ( dpa )

"Er kommt aus unserer christlichen Geschichte, er keimt auch in unserer Mitte, unter unseren Kirchenmitgliedern", sagte die Theologin, die auch Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen ist.

Kurschus kritisiert "Entweder-oder"-Denken im Nahost-Krieg

Kurschus betonte erneut ihre Solidarität mit dem von der palästinensisch-islamistischen Terrororganisation Hamas angegriffenen Israel.

Das Land habe nach dem grauenhaften Massaker das Recht, sich zu verteidigen und seine Bevölkerung zu schützen, sagte die westfälische Präses.

Es sei töricht, die Solidarität mit Israel und die Empathie für die palästinensischen Opfer in ein "Entweder-oder" zu zwingen.

EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus warnt auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland  in Ulm am 12.11.2023 vor christlichem Antisemitismus / © Heike Lyding (epd)
EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus warnt auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland in Ulm am 12.11.2023 vor christlichem Antisemitismus / © Heike Lyding ( epd )

Der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Ralf Meister, hatte bereits am Samstag eine Auszeichnung für evangelische Kirchengemeinden vorgeschlagen, die nachweislich gegen Judenhass und Israelfeindlichkeit eintreten.

Dazu gehöre es, dass Personen im Verkündigungsdienst sich an bestimmten theologischen Grundlagen orientierten. Auch könnten die Gemeinden "sichere Orte" für jüdische Mitmenschen anbieten, sagte der hannoversche Bischof.

Bärbel Bas besorgt über schwindendes Vertrauen in Demokratie

In einem Grußwort bei der Eröffnung der EKD-Synodentagung äußerte sich Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) am Sonntag besorgt über das schwindende Vertrauen der Menschen in demokratische Prozesse.

Sie trauten Staat und Politik immer weniger zu. Bas machte dafür Meinungsblasen im Internet und eine durch die AfD verrohte Debattenkultur verantwortlich.

Porträt der Präsidentin des Deutschen Bundestages, Bärbel Bas, bei der Jahrestagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland in Ulm am 12.11.2023 / © Heike Lyding (epd)
Porträt der Präsidentin des Deutschen Bundestages, Bärbel Bas, bei der Jahrestagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland in Ulm am 12.11.2023 / © Heike Lyding ( epd )

Kurschus wiederum rief die demokratischen Parteien zu einem gemäßigteren Ton in der Debatte über die Flüchtlingspolitik auf.

In ihrem Bericht an die 128 Mitglieder des Kirchenparlaments sagte sie, das Wort Migranten werde "beinahe unisono" mit den Adjektiven "illegal" oder "irregulär" verbunden, obwohl die Mehrheit von ihnen einen Schutzstatus erhalte.

Synode will Haltung der Gesellschaft zu Religion in den Blick nehmen

"Unbedacht oder auch bewusst grob" sei zudem suggeriert worden, Geflüchtete machten Einheimischen die Gesundheitsvorsorge streitig, sagte die westfälische Präses Kurschus, ohne CDU-Parteichef Friedrich Merz zu nennen, dessen Äußerung zu mutmaßlichen Engpässen bei Zahnarztterminen wegen Flüchtlingen für Kritik gesorgt hatte.

Die Synode der EKD berät bis Mittwoch in Ulm. Ein zentrales Thema der Jahrestagung ist am Dienstag die Vorstellung der sechsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, eine soziologische Studie über die Haltung zu Religion und Kirche in der Gesellschaft.

Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland

Der Begriff Synode ist dem griechischen "synodos" entlehnt und bedeutet Zusammenkunft. Die EKD-Synode ist das Parlament und damit eines von drei Leitungsgremien der Evangelischen Kirche inDeutschland (EKD) - neben dem Rat und der Kirchenkonferenz. Sie hat 120 Mitglieder, sogenannte Synodale, die die 20 Landeskirchen mit gut 21 Millionen Gläubigen vertreten.

Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) / © Heike Lyding (epd)
Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) / © Heike Lyding ( epd )
Quelle:
epd