Emder Gemeinde gestaltet Kirchenwandel mit Flexibilität und Abschied

"Wir können nicht alles erhalten"

Während St. Michael durch Stühle für vielfältige Nutzungen flexibel gestaltet wird, soll St. Walburga abgerissen werden. Der Gemeinde fällt der Abschied schwer, weiß Pfarrer Georg Pützer und spricht über Wandel, Trauer und Chancen.

Autor/in:
Carsten Döpp
Blick in die Kirche St. Walburga in Emden / © Max-Reinhard Beier
Blick in die Kirche St. Walburga in Emden / © Max-Reinhard Beier

DOMRADIO.DE: Wir haben im April 2024 über die Räumungsaktion der Kirche St. Michael in Emden gesprochen. Kirchenbänke wurden damals an Selbstabholer verschenkt. Damit haben Sie sich auf die Renovierung des Gebäudes vorbereitet. Das hatte damals gut funktioniert, oder?

Georg Pützer (Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde Christ König in Emden): Ja, bei der Aktion sind sehr viele Bänke abgeholt worden. Wir haben die Aktion mehrere Male gemacht. Letztendlich sind bis auf vier Bänke alle weggegangen.

Georg Pützer

"Es sind künftig keine Bänke mehr da, sondern Stühle, um möglichst viel Flexibilität im Kirchenraum zu haben."

DOMRADIO.DE: Aber mit dieser Räumungsaktionen hatten sie sich nicht nur Freunde gemacht. Was gab es an Kritik?

Pützer: Persönlich ist man nicht an mich herangetreten. Das ging über soziale Netzwerke. Die Kritik dort lautete, dass wer so was mache, kein Priester sei. Man dürfe Bänke nicht zersägen. Oder auch, dass ich eine evangelische Kirche haben wolle. Eine Kritik, die ich ehrlich gesagt nicht ernst nehme. Das war auch nur ein Strohfeuer. 

St. Michael während der Renovierungsarbeiten / © Pfarrei Christ König
St. Michael während der Renovierungsarbeiten / © Pfarrei Christ König

DOMRADIO.DE: St. Michael ist jetzt seit langem leer geräumt. Es wird gearbeitet an allen Ecken und Enden. Wie ist denn der aktuelle Stand der Dinge? 

Pützer: Die Bauarbeiten sind weit fortgeschritten. Es gab sogar Tage, wo kleine Bagger durch die Kirche fuhren. Mittlerweile ist der Marmorboden wieder verlegt.

DOMRADIO.DE: Die Kirche wird künftig anders aussehen. Was sind die Veränderungen?

Pützer: Es werden künftig keine Bänke mehr darin sein, sondern Stühle, um möglichst viel Flexibilität im Kirchenraum zu haben. So können wir die klassischen Gottesdienste feiern, wie es die Menschen gewohnt sind. Ein Teil der Stühle wird Kniebänke haben, so dass Menschen, denen es wichtig ist, knien können. Wir können so auch flexibel Familiengottesdienste oder Kindergartengottesdienste feiern sowie Veranstaltungen mit viel Musik und anderes in der Kirche veranstalten.

Der Boden von St. Michael ist für weitere Arbeiten vorbereitet / © Pfarrei Christ König
Der Boden von St. Michael ist für weitere Arbeiten vorbereitet / © Pfarrei Christ König

DOMRADIO.DE: Zu ihrer Pfarrei gehört in Emden außerdem noch die Kirche St. Walburga im Stadtteil Barenburg. Dort fanden über Weihnachten Gottesdienste statt. Wie geht es mit der Kirche weiter? 

Pützer: Die Kirche erlebt aktuell eine zweite Blüte. Sie wird wieder sehr viel benutzt. Aber sobald St. Michael fertiggestellt ist, werden wir uns von dieser Kirche verabschieden, was auch für die Gemeinde eine große pastorale Aufgabe ist. Wir werden einen letzten Gottesdienst feiern und die Kirche dann schließen. Dann wird der Bischof sie profanieren und letztendlich wird sie abgerissen werden.

DOMRADIO.DE: Was ist das für ein Gefühl?

Pützer: Ich bin emotional nicht so beteiligt wie viele, die mit und in dieser Kirche gelebt haben. Aber es ist das erste Mal, dass ich diesen Weg mit einer Gemeinde gehe und sie auf den Trauerprozess vorbereite.

Georg Pützer

"Dann wird der Bischof sie profanieren und letztendlich wird sie abgerissen."

DOMRADIO.DE: Was sagen die Gläubigen aus der Gemeinde dazu?

Pützer: Ich spüre, dass die Menschen es allmählich akzeptiert haben und dass sie bewusst noch einmal in die Kirche kommen. Wir hatten Weihnachten eine Aktion, wo die Kirche ein paar Stunden offen war, sodass die Menschen noch mal Fotos von dieser sehr schön geschmückten Kirche machen konnten. Das sind kleine Schritte, um sich auf den Tag vorzubereiten, an dem die Kirche dann geschlossen wird.

Ich hab das auch an Silvester in der Predigt erwähnt. Das sind die Herausforderungen unserer Gemeinde, nicht nur diese Kirche zu schließen und abzureißen, sondern auch bestimmte Dinge verkaufen zu müssen, weil es einfach die Realität ist. Das Geld ist weniger geworden, wir können nicht alles erhalten. 

Das Interview führte Carsten Döpp.

Korrekturhinweis: In einer früheren Version des Artikels waren in der Überschrift von einer 'Emdener Gemeinde' die Rede. In Reaktion auf die freundlichen Hinweise aus Emden selbst haben wir die Überschrift auf 'Emder Gemeinde' geändert. Des Weiteren war die Rede vom Stadtteil Bahrenburg die Rede. Dieser heißt allerdings Barenburg. Wir bitten höflich um Verzeihung.

Umnutzung und Profanierung von Kirchen

Obwohl in Deutschland sowohl katholische als auch evangelische Kirchen leer stehen, ist die Umwidmung katholischer Kirchen komplizierter. Wenn eine katholische Kirche – oder ein anderer heiliger Ort – Weihe oder Segnung verliert, geschieht durch diese Profanierung das Gegenteil der (Kirch-)Weihe. Angeordnet wird eine solche Entwidmung durch ein Dekret des Diözesanbischofs, das im Allgemeinen in einem letzten Gottesdienst verlesen und damit wirksam wird. Damit wird dann das Gotteshaus dauerhaft profanem Gebrauch überlassen.

Die ehemalige Dominikanerkirche in Maastricht ist jetzt ein Buchladen. / © Wut_Moppie (shutterstock)
Die ehemalige Dominikanerkirche in Maastricht ist jetzt ein Buchladen. / © Wut_Moppie ( shutterstock )
Quelle:
DR