Den einen gilt sie als mutige Vorkämpferin für Gleichberechtigung, den anderen als Islamhasserin und "Terf", also als Feministin, die Transmenschen ausschließt. Die Journalistin und Herausgeberin der Zeitschrift "Emma", Alice Schwarzer, hat Erfahrung mit Kritik. Schon als sie 1975 in einer legendär gewordenen Fernsehdebatte endgültig die Bühne der Öffentlichkeit betrat, spaltete sie die Gemüter. Am 3. Dezember wird Deutschlands bekannteste Frauenrechtlerin 80 Jahre alt.
Schwarzer bleibt ihrer Haltung treu
Zuletzt sorgte sie für Furore in den eigenen Reihen - oder in Teilen davon -, als sie vor dem Selbstbestimmungsgesetz der Ampelkoalition warnte, wonach Menschen den Geschlechtseintrag in ihrem Ausweis einfacher ändern lassen können. Von einer "Trans-Ideologie einer radikalen Minderheit" spricht Schwarzer in einem Interview auf ihrer Homepage.
Diese Haltung brachte ihr nicht nur Kritik vonseiten des Queer-Beauftragten der Bundesregierung, Sven Lehmann, ein, sondern insgesamt von Angehörigen sexueller Minderheiten. Der Vorwurf, die Feministin äußere sich "bevormundend", gehörte hier noch zu den netteren.
Doch Schwarzer bleibt ihrer Haltung treu. Dass sie eine Meinung auch gegen viele Widerstände vertreten kann, hat sie früh bewiesen. 1975 trat sie in einer Fernsehdebatte gegen die Autorin von "Der dressierte Mann", Esther Vilar, an, die die These vertrat, dass eigentlich die Frau den Mann unterdrücke. Schwarzer hielt dagegen - und erlangte spätestens damit bundesweit Bekanntheit. "Das Geheimnis der Sendung war, dass ich mich zur Stimme der Frauen gemacht habe", sagte Schwarzer 2020 im "Zeit"-Podcast "Alles gesagt?".
Gründung der Zeitschrift "Emma" 1977
Ihre Kämpfernatur zeichnete sich früh ab. 1942 wurde Schwarzer als nichteheliches Kind in Wuppertal geboren; ihre Familie war im Widerstand gegen die Nazis aktiv. Mit dieser Außenseiterperspektive lernte sie, Mehrheitsmeinungen zu hinterfragen. "Wir sind die Töchter und Enkelinnen von Frauen, die von den Nazis zurück ins Haus geschickt wurden und bestenfalls aufs Mutterkreuz hoffen konnten. Das hinterlässt Spuren", umreißt sie die Ausgangslage für die deutsche Frauenbewegung.
Schwarzer wuchs bei ihren Großeltern auf, die sie Mama und Papa nannte; ihre sehr junge "Mutti" spielte kaum eine Rolle. Mit 21 Jahren ging Schwarzer nach Paris, um Journalistin zu werden. Sie studierte Sprachen, wurde Korrespondentin verschiedener Zeitungen und kam in Kontakt mit Persönlichkeiten wie Simone de Beauvoir und Jean Paul Sartre, später mit Margarete Mitscherlich, Romy Schneider und Marion Dönhoff, über die sie auch Bücher schrieb.
Ein Meilenstein für Schwarzer und die deutsche Frauenbewegung war die Gründung der Zeitschrift "Emma" 1977, die sie noch heute als Herausgeberin und Geschäftsführerin leitet. Als "einzige wirklich unabhängige feministische Stimme" bezeichnet sie stolz das Magazin.
"Ich lasse mich nicht einschüchtern"
Eine überraschende Beziehung verband sie mit dem früheren Kölner Kardinal Joachim Meisner (1933-2017): Die Frauenrechtlerin, die evangelisch getauft ist, und der konservativ-katholische Kirchenmann mochten einander. "Die Alice Schwarzer ist viel vernünftiger, als sie oft dargestellt wird", sagte Meisner einmal über sie. Trotzdem standen beide für ihre oft äußerst unterschiedlichen Meinungen ein - etwa beim Thema Abtreibung. Schwarzers Kampf um die Abschaffung des Paragrafen 218 gipfelte 1971 in der "Stern"-Titelgeschichte "Wir haben abgetrieben" mit zahlreichen prominenten Frauen.
Insbesondere seit der Kölner Silvesternacht 2015/16 kritisiert Schwarzer einen extremistischen Islamismus, der auch eine frauenverachtende Haltung befördere. Als die Kopftuch-Kritikerin 2019 mit demonstrierenden Muslimas ins Gespräch kommen wollte, kam es zum Eklat: Ein Video legte nahe, Schwarzer hätte eine der Kopftuch tragenden Demonstrantinnen hart angefasst. Die Journalistin wehrte sich und sprach von einer Diffamierungskampagne. Inhaltlich blieb sie bei ihrer Linie. Das Kopftuch sei "die Flagge des Islamismus", so Schwarzer.
Vor ihrem 80. Geburtstag würdigen unter anderem Kino- und Fernsehfilme die Frauenrechtlerin und Pornografie-Gegnerin, die seit vier Jahren mit der Fotografin Bettina Flitner verheiratet ist. Ihre kritische Haltung und Freude an Auseinandersetzungen hat Schwarzer noch lange nicht verloren. "Ich lasse mich nicht einschüchtern", erklärte sie mehr als einmal.