Katholisches Büro Erfurt zu geplanten Corona-Lockerungen in Thüringen

"Enger Gesprächsdraht" in Krisenzeiten

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow will deutliche Corona-Lockerungen und sorgt damit für bundesweite Diskussionen. Claudio Kullmann vom Katholischen Büro Erfurt bleibt gelassen. Für die Kirchen ändere sich erst einmal nichts.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow / © Martin Schutt (dpa)
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow / © Martin Schutt ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was war denn Ihr ganz persönliches Empfinden, als Sie von Bodo Ramelows Vorstoß in der Corona-Krise erfahren haben? "Endlich wieder mehr Normalität" oder "Oh je, wir setzen alles Erreichte aufs Spiel"? 

Claudio Kullmann (Leiter des Katholischen Büros Erfurt): Ich bin eigentlich relativ entspannt geblieben. Sie müssen sehen: Wir haben hier in Thüringen gut zwei Millionen Einwohner und derzeit nach den Zahlen der Landesregierung unter 250 akut Erkrankte. Es gibt nur sehr wenige Neuinfektionen. In manchen Städten und Landkreisen gibt es schon fast seit Wochen gar keine Neuinfektionen. Gleichwohl haben wir in Thüringen ja auch Hotspots. Die Gefahr ist nach wie vor da, und ein effektives Gegenmittel fehlt.

In diesem Spannungsfeld muss die Politik arbeiten. Und da war es eigentlich eine Frage der Zeit, dass man - nach den Lockerungen, die wir hier schon seit einigen Wochen haben - überlegen muss: Wann geht man den nächsten Schritt, und wie kann dieser nächste Schritt aussehen? Ich habe auch, ehrlich gesagt, mit etwas Abstand gedacht: Wenn nicht Bodo Ramelow jetzt diese doch markante Diskussion begonnen hätte, hätte es sicher auch ein anderer Ministerpräsident oder eine andere Ministerpräsidentin getan. 

DOMRADIO.DE: Die Kontaktbeschränkungen sind jetzt bundesweit bis 29. Juni verlängert worden. Und wenn ich bundesweit sage, meine ich, dass Thüringen sich einen Sonderweg offenhalten möchte. Ramelow, auch wenn er jetzt Stück zurückgerudert ist, möchte aus dem Krisenmodus raus und dazu übergehen, dass die Bürger sich selber schützen. Würde ein solcher Sonderweg die Hygienemaßnahmen in den Kirchen des Bistums Erfurt beeinflussen? 

Kullmann: Das würde es nicht. Und das gilt nicht nur für das Bistum Erfurt, sondern auch für die Bistümer, die auch Territorien oder Anteile an Thüringen haben, also Dresden-Meißen und Fulda. Die Maßnahmen, die ergriffen wurden, haben sich jetzt eingespielt. Und da es auch noch keine neue Rechtslage gibt und das auch nicht absehbar ist, gibt es auch noch keinen Anlass, darüber nachzudenken, dort Veränderungen vorzunehmen. 

DOMRADIO.DE: Wie hat sich der Ministerpräsident denn insgesamt in der Corona-Krise gegenüber den Kirchen positioniert? Die Öffnung der Kirchen ging ja auf alle Fälle schneller als in NRW. 

Kullmann: Richtig. Sie wissen, dass wir zu Bodo Ramelow ein gutes Verhältnis haben, dass er die Belange der Kirchen auch wirklich in seine Arbeit einbezieht und uns an Entscheidungen beteiligt. Er hat immer betont, dass die Religionsfreiheit für ihn ein sehr hohes Gut ist, dass die Einschränkung der Versammlungsfreiheit in Kirchen ihn besonders schmerzt und man besonders auch über solche Maßnahmen immer wieder nachdenken muss.

Wir hatten einen sehr engen Gesprächsdraht, nicht nur zu ihm, sondern auch zur Gesundheitsministerin und zu den Beamten, die zuständig waren. Wir haben immer wieder signalisiert bekommen, dass man uns großes Vertrauen entgegenbringt, in den Kirchen das Richtige zu tun, unsere Verantwortung dort zum Schutz der Gläubigen auch wahrzunehmen.

Und so hatten wir zwar grundsätzliche, aber dann doch nur sehr wenige konkrete Vorgaben und konnten unsere Schutzkonzepte in den drei Bistümern, die Thüringen hat, relativ eigenverantwortlich und passgenau gestalten. Die waren trotzdem relativ detailliert, aber doch mit Augenmaß ausgestaltet.

Wir hatten und haben keinen Mundschutz in Gottesdiensten. Wir teilen die Kommunion auch nicht hinter Glasscheiben aus, sodass es vor Ort noch handhabbar ist und die Feier würdig ablaufen kann. Ein Problem sind natürlich nach wie vor große Feste wie Firmungen. Da gibt es immer wieder Diskussionen, sicher aber in anderen Bistümern auch. Gerade die Eichsfelder in Thüringen sind ja ein wallfahrendes Volk, und die großen Wallfahrten können natürlich nicht stattfinden, das schmerzt sehr. 

DOMRADIO.DE: Was wir seit zwei Monaten mit Kindern im Homeoffice spüren, ist, dass die Schulen wenig auf digitales Lehren und Lernen vorbereitet waren. Aber auch da waren sie in Thüringen eine Nasenlänge voraus. Dort gab es ja schon Erfahrungen mit digitalem Religionsunterricht. 

Kullmann: Das ist richtig. Wir hatten es ja im letzten Jahr endlich geschafft - nach vielen, vielen Diskussionen - dieses Modellprojekt KathReliOnline - katholischer Religionsunterricht online - zu erproben. Es waren sehr viele jetzt froh, dass die Materialien digital vorlagen. Man konnte die Materialen jetzt nicht nur für diese kleine Gruppe nutzen, die das erprobt, sondern auch für den Religionsunterricht insgesamt.

Das Land hat sehr schnell gelernt, dass wir damit sehr innovativ waren und dass die Ergebnisse, die wir jetzt in diesem Modellprojekt erarbeiten, sicherlich auch für sehr viele andere Fächer und auch andere Situationen nutzbar sind. Die Zusammenarbeit hat sich enorm verbessert und wir hoffen, dass wir das jetzt noch weiter ausdehnen können.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR