Erlebt Europa eine Welle antichristlicher Hassverbrechen?

44 Prozent mehr Vorfälle als 2021

Nicaragua, Indien und Burkina Faso – vielerorts werden Christen auf verschiedene Art und Weise verfolgt. Europa galt lange als sicherer Ort für Christen. Laut neuen Zahlen ändert sich das offenbar. Angriffe kämen oft von linker Seite.

Autor/in:
Marco Fetke
Die katholische St. Mary's Star of the Sea Church im nordirischen Newtownabbey fiel im September 2013 einem Angriff mit Molotowcocktails und Farbe zum Opfer / © Stephan Barnes (shutterstock)
Die katholische St. Mary's Star of the Sea Church im nordirischen Newtownabbey fiel im September 2013 einem Angriff mit Molotowcocktails und Farbe zum Opfer / © Stephan Barnes ( shutterstock )

"Es gibt drei Hügel, von denen das Abendland seinen Ausgang genommen hat: Golgatha, die Akropolis in Athen, das Capitol in Rom", so formulierte es der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, Theodor Heuss (FDP), einst.

Der ehemalige Bundespräsident Theodor Heuss / © N.N. (KNA)
Der ehemalige Bundespräsident Theodor Heuss / © N.N. ( KNA )

Der christliche Glaube galt lange Zeit als eine entscheidende Grundfeste Europas. Die Frage der Sicherheit von Christen bedurfte – jenseits von inneren Konflikten oder Verfolgungen durch totalitäre Regime – kaum größerer Aufmerksamkeit.

Laut den neuesten Zahlen der Wiener "Beobachtungsstelle für Intoleranz und Diskriminierung gegen Christen in Europa" (OIDAC) erodiert diese Ausgangslage aber zunehmend.

Im aktuellen Jahresbericht der OIDAC ist so die Rede von 748 Fällen christlicher Hassverbrechen – darunter Brandstiftungen, Körperverletzungen, Beschimpfungen und Entweihungen – in 30 europäischen Staaten, also immerhin 44 Prozent mehr als im Jahr 2021. 

Großteil der Hassverbrechen soll aus dem linksradikalem Milieu kommen

Besonders einen Anstieg von antichristlichen Brandanschlägen verzeichnet die Beobachtungsstelle. Gab es 2021 noch 60 Vorfälle dieser Art, waren es im Folgejahr bereits 105 – ein Anstieg um fast 75 Prozent. Für einen Großteil dieser Vorfälle macht die OIDAC "radikale Mitglieder extremer politischer Gruppen" verantwortlich.

Die Mehrheit dieser Taten sei wiederum dem linksradikalem Milieu, etwa der Antifa, radikalen Feministen oder aber auch LGBTIQ-Gruppen zuzuschreiben. Aber auch Satanisten, Rechtsextreme und Islamisten würden antichristliche Hassverbrechen in Europa verüben.

Christen, so die Organisation, wären damit – nach Juden – die in Europa am häufigsten Opfer von Hassverbrechen werdende Religionsgruppe.

Ihre Zahlen sieht die OIDAC von den Zahlen der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) gedeckt.

OIDAC-Chefin sieht "gesellschaftliche Akzeptanz antichristlicher Gewalt"

Wie die evangelikale Nachrichtenagentur "IDEA" berichtet, äußerte sich dementsprechend auch die OSZE-Beauftragte für die Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung, die Theologieprofessorin Regina Polak zur Welle antichristlicher Hassverbrechen.

OSZE-Flaggen von dem Kongresszentrum in Wien / © Karl Allen Lugmayer (shutterstock)
OSZE-Flaggen von dem Kongresszentrum in Wien / © Karl Allen Lugmayer ( shutterstock )

Es sei dringend notwendig, sowohl das staatliche als auch das gesellschaftliche Bewusstsein für dieses Problem zu schärfen und politische Maßnahmen zu ergreifen, um es entschlossen anzugehen und zu bekämpfen, so Polak.

Im Gespräch mit dem konservativ-katholischen Online-Portal "Corrigenda" betont OIDAC-Geschäftsführerin Anja Hoffmann zudem, dass sie eine "größere gesellschaftliche Akzeptanz von antichristlicher Gewalt" sehe, die sich unter anderem in stolzen öffentlichen Bekanntmachungen entsprechender Taten manifestiere.

Aber auch antikirchliche Slogans trügen zur Gewalt gegen Christen bei. So sei die Zahl von Brandanschlägen auf Kirchen in Portugal seit der viralen Verbreitung des Satzes "Die einzige Kirche, die erleuchtet, ist jene, die brennt" signifikant angestiegen.

Wie ein altkommunistischer Slogan in die Gegenwart zurückkehrt

Der ursprünglich von dem russischen Anarchisten Peter Kropotkin stammende Spruch wurde laut Hoffmann durch einen Kommunistenführer im Spanischen Bürgerkrieg popularisiert. 

"Mit den Anschlägen auf Kirchen in Chile im Jahr 2020 ging der Slogan gemeinsam mit dem ähnlich lautenden Hashtag #FuegoAlClero auch in Europa viral und wurde trotz der strengen Beschränkungen von Hass im Netz tagelang nicht entfernt", so Hoffmann.

Sowohl aus historischer Sicht als auch durch aktuelle Medienberichte würden diese Online-Slogans mit "der linksextremen und marxistischen Szene" in Verbindung gebracht.

Solche direkten Aufrufe zu Gewalt gegen Christen seien besonders gefährlich und sollten von der Gesellschaft nicht toleriert werden, fordert die OIDAC-Geschäftsführerin.

Gleichsam beschränke sich die Diskriminierung von Christen in Europa nicht nur auf Hassverbrechen. Die OIDAC dokumentiere vielmehr auch Einschränkungen und Verletzungen der Religionsfreiheit.

Diskriminierung muss sich nicht nur in Gewalt äußern

Das sagt der Katechismus zur Ehe

Vom Verständnis der christlichen Ehe als Sakrament her hält die katholische Kirche daran fest, daß die sakramental geschlossene und als solche vollzogene Ehe weder durch die Eheleute selbst zurückgenommen noch durch irgendeine Macht aufgehoben werden kann. Die Kirche sieht aber auch, daß Ehen in eine Krise geraten und scheitern können. Unter denen, die sich scheiden lassen, gibt es heute mehr und mehr auch katholische Christen. Jedes Scheitern einer Ehe ist für die Betroffenen schmerzlich. Es hinterlässt Wunden und häufig auch bedrückende soziale Folgen.

Katechismus der katholischen Kirche (DR)
Katechismus der katholischen Kirche / ( DR )

Im vergangenen Jahr habe es beispielsweise einige Fälle von Entlassungen von Lehrern aufgrund ihrer christlichen Weltanschauung gegeben.

Ebenso erwähnt Hoffmann Klagen gegen Christen, die sich öffentlich zu traditionellen christlichen Positionen zu Themen wie Ehe, Familie oder Geschlechtsidentität bekannten.

"Obwohl die Aussagen keine Aufrufe zu Gewalt oder Hass enthielten, wurden die betroffenen Gläubigen unter sogenannten 'Hassrede-Gesetzen' angeklagt", so Hoffmann.

Das umstrittene Justizphänomen führt sie auf "sehr schwammige Formulierungen" und damit einen unklaren Geltungsbereich dieser Gesetze zurück. 

Prominentes Beispiel für Diskriminierung?

Ein prominentes Beispiel für so einen Fall ist die Causa der finnischen christdemokratischen Politikerin Päivi Räsänen, die für "Hassrede" angeklagt, aber 14. November dieses Jahres von dem Vorwurf freigesprochen wurde. 

Die Politikerin – und zusammen mit ihr der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Missionsdiözese Finnlands, Juhana Pohjola – wurde in drei Fällen dafür angeklagt, betont zu haben, dass praktizierte Homosexualität aus biblischer Sicht eine Sünde darstellen würde. 

Der Fall Räsänen sorgte medial für viel Wirbel, wenn auch eher bei Freund wie Feind, als in der allgemeinen Öffentlichkeiten.

Angriff auf ein freikirchliches Café in Leipzig als mediale Randnotiz

Dass das – selbst bei tätlichen Angriffen – nicht immer so ist, zeigt die Geschichte des freikirchlichen Cafés "Stay" in Leipzig, das von der "Zeal Church", einer Abspaltung der "International Christian Fellowship" betrieben wird, und Ende Oktober einen Angriff erlebte.

In einem Bekennerschreiben auf der linksextremen Plattform Indymedia, die für eben solche Bekenneranschreiben und teils auch Anleitungen zum Bombenbau bekannt ist, werfen die mutmaßlichen Täter der als konservativ geltenden "Zeal Church" neben "Queerfeindlichkeit und Misogynie" vor, keine homosexuellen Paare trauen zu wollen – eine Argumentation, mithilfe derer sich immerhin auch Angriffe auf die katholische Kirche rechtfertigen lassen könnten.

Auf Grundlage dieser Vorwürfe hätten sie das Café "angegriffen und bemalt" – neben einer Platzierung des Schriftzugs "Don't stay, be gay" wurden auch Scheiben eingeschlagen – und so, wie sie selbst schreiben, "voller Hass und Genugtuung" ihre Meinung hinterlassen.

Über die Berichterstattung von Leipziger Lokalmedien und "IDEA" hinaus fand der Vorfall – trotz der ostentativ vorgetragenen Hassbotschaften der mutmaßlichen Täter und Verurteilungen der Tat auch aus dem in Leipzig stark vertretenen linken Spektrum – kaum Eingang in die Öffentlichkeit. 

Christenverfolgung weltweit

Das päpstliche Hilfswerk "ACN International" (Aid to the Church in Need – Kirche in Not) setzt sich seit über 70 Jahren für verfolgte und notleidende Christen ein. Stand am Anfang die Hilfe für deutsche Heimatvertriebene und Christen hinter dem Eisernen Vorhang im Vordergrund, richtet sich der Fokus heute unter anderem auf verfolgte Christen im Nahen Osten und Ländern Afrikas. (Kirche in Not)

Symbolbild: Christenverfolgung  / © nn (AFP)
Symbolbild: Christenverfolgung / © nn ( AFP )
Quelle:
DR