Erster Kippa-Tag gegen Antisemitismus in Wuppertal

"Solidarität mit den Juden zeigen!"

Oft reicht es schon, wenn ein Mann mit einer Kippa durch die Straße läuft, dass er Opfer einer Gewalttat wird. Die Solidargemeinschaft Wuppertal setzt mit dem ersten Kippa-Tag ein Zeichen gegen Judenfeindlichkeit.

Kippot/Symbolbild Judentum / © Karolis Kavolelis (shutterstock)
Kippot/Symbolbild Judentum / © Karolis Kavolelis ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie werden Sie heute Solidarität mit Juden zeigen?

Dr. Werner Kleine / © Katholische Citykirche Wuppertal
Dr. Werner Kleine / © Katholische Citykirche Wuppertal

Dr. Werner Kleine (Pastoralreferent der Citykirche Wuppertal): Wir werden uns heute Abend um 17:00 Uhr an der Neuen Synagoge in Wuppertal-Barmen treffen und dort zusammen mit der jüdischen Kultusgemeinde einige Grußworte hören. Wir werden dann unsere Kippot – Plural von Kippa – aufziehen. Die jüdische Kultusgemeinde hat da einige besorgt, sodass für alle eine da sein wird. Und wir werden dann durch die Barmer Innenstadt nach Sankt Antonius laufen, um öffentlich unsere Solidarität mit den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu bekunden.

DOMRADIO.DE: Die Initiative geht aus von der Solidargemeinschaft Wuppertal, der Sie angehören. Warum haben Sie sich zu der Solidaritätsaktion heute entschlossen?

Werner Kleine

"Wir wollen der bürgerlichen Mitte eine laute Stimme geben, und den Antisemitismus in die Grenzen weisen und das heißt insbesondere auch, unsere Solidarität mit den Juden hier in Deutschland zu zeigen."

Kleine: Die Solidargemeinschaft Wuppertal hat sich vor zwei Jahren gegründet. Ich habe im Jahr 2018 anlässlich des Stauffenberg-Gedenktages am 20. Juli eine Rede gehalten. Sie hat wohl Eindruck gemacht, denn ich habe gesagt, wir dürfen nicht nur reden, sondern müssen auch handeln. Danach sind einige Zuhörer auf mich zugekommen und haben gesagt, das sollten wir tun.

Da hat sich die Solidargemeinschaft heraus gegründet. Vor allen Dingen haben wir auch im Blick, gerade gegen Antisemitismus aufzustehen. Wir wollen der bürgerlichen Mitte eine laute Stimme geben, und da geht es eben darum, auch den Antisemitismus in die Grenzen zu weisen und das heißt insbesondere auch, unsere Solidarität mit den Juden hier in Deutschland zu zeigen.

DOMRADIO.DE: Laut einer aktuellen Studie unterstützt ein beachtlicher Teil der deutschen Gesellschaft antijüdische Vorurteile. Zum Beispiel: Juden hätten zu viel Macht in Wirtschaft und Finanzwesen oder Juden hätten einen zu großen Einfluss in Politik und Medien. Wo kommt das her?

Kleine: Ich kann mir das ehrlich gesagt nicht erklären, denn der Beweis müsste erst mal angetreten werden. Dass es da möglicherweise den einen oder anderen Juden gibt, der über Reichtum verfügt – das kann es alleine ja nicht sein, denn es gibt auch reiche Nichtjuden und Nichtjüdinnen. Da kommt ja kein Mensch auf die Idee zu sagen, die würden jetzt plötzlich die große Weltherrschaft ausrufen.

Ich denke, dass das ein Vorurteil ist, das seine Wurzeln weit, weit im Mittelalter hat, in den Antijudaismus des Mittelalters, das durch nichts belegt ist. Ich kann mir das nicht erklären. Es ist letzten Endes ein Wahn, der manche Menschen befällt, mit denen man versucht, die Unklarheiten, die das Leben halt nur so zu bieten hat, irgendwo zu erklären. Um das mal in Zahlen zu bringen: Wir haben weltweit keine 15 Millionen Juden bei über 7 Milliarden Menschen als Weltbevölkerung. Wie soll da eine solch kleine Volksgemeinschaft die Weltherrschaft übernehmen? Es ist eine Absurdität, die nicht zu erklären ist und gegen die wir angehen müssen, weil ganz konkret Menschen auch in unserem Land darunter leiden.

Werner Kleine

"Bei all den Dingen, die in Israel, im Nahen Osten problematisch sind und wo man sicherlich eine Lösung hinzufügen muss, kann es nicht sein, dass hier in Deutschland Juden und Jüdinnen darunter leiden und in Mithaftung genommen werden."

DOMRADIO.DE: Die Befragung von Musliminnen und Muslimen zeigt, dass antisemitische Ressentiments dort noch mal deutlich verbreiteter sind als im Durchschnitt. Wie sehr sorgt Sie das?

Kleine: Also erst mal finde ich, dass Musliminnen und Muslime antisemitische Tendenzen haben, immer relativ bemerkenswert, weil Araber und damit viele Muslime selber ja Semiten sind, das sind ja auch semitische Völker. Gemeint ist da sicherlich ein antiisraelisch-begründeter Antijudaismus, weil es da um den Palästina-Israel Konflikt geht. Da gibt es ja ganz konkrete Beispiele, weswegen wir auch den Kippa-Tag hier in Wuppertal haben.

Letztes Jahr sind hier große Pro-Palästina-Demonstrationen durch Wuppertal gelaufen, die die Juden als Kindermörder beschimpft haben. Bei all den Dingen, die in Israel, im Nahen Osten problematisch sind und wo man sicherlich eine Lösung hinzufügen muss, kann es nicht sein, dass hier in Deutschland Juden und Jüdinnen darunter leiden und in Mithaftung genommen werden. Die Sippenhaft ist doch wohl hoffentlich abgeschafft.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Meldestelle: "Antisemitismus ist kontinuierliches Problem"

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) hat in Berlin für 2021 insgesamt 1.052 antisemitische Vorfälle dokumentiert. Davon waren 22 Angriffe, 43 gezielte Sachbeschädigungen, 28 Bedrohungen, 895 Fälle verletzenden Verhaltens sowie 62 Massenzuschriften, wie aus einem am Dienstag in Berlin veröffentlichten Bericht hervorgeht. Erstmals seit Beginn der Dokumentation im Jahr 2015 seien auch zwei Angriffe dabei gewesen, die mit "extremer, potentiell tödlicher Gewalt" einhergingen.

Hakenkreuz-Schmierereien an einer Schule / © Jochen Lübke (dpa)
Hakenkreuz-Schmierereien an einer Schule / © Jochen Lübke ( dpa )
Quelle:
DR