Bislang hatte der Muezzin nur innerhalb der Moschee gerufen. Dass sein Signal jetzt auch außerhalb zu hören sein darf, sei ein entscheidender Unterschied, sagte der Vertreter des deutsch-türkischen Moscheeverbands Ditib Zekeriya Altug. "Drinnen praktiziert ist der Muezzinruf immer ein Wermutstropfen gewesen. Der fällt jetzt ein bisschen weg."
Pilotprojekt der Stadt
Vor rund einem Jahr hatte die Stadt Köln ein Pilotprojekt gestartet, wonach der Muezzinruf in islamischen Gemeinden unter Auflagen ertönen darf. Die Kommune begründet den Schritt mit der Religionsfreiheit. An der Zentralmoschee ist die maximal fünfminütige Gebetsaufforderung nun immer freitags in der Zeit zwischen 12.00 und 15.00 Uhr zu hören - je nach Jahreszeit und Sonnenstand. Außerhalb des Moscheegeländes darf der Ruf den Auflagen gemäß 60 Dezibel nicht überschreiten. Das ist etwa so laut wie ein Gespräch.
Zu dem ersten öffentlichen Muezzinruf hatten sich nach Gemeindeangaben rund 3.000 Menschen in und um die Moschee versammelt. Der Muezzin stand im Innenhof des Gotteshauses. Auch Polizeikräfte waren anwesend. Nahe der Moschee erinnerte gut ein Dutzend Demonstrierende an die religiös begründete Unterdrückung von Frauen im Iran.
Reaktionen fallen unterschiedlich aus
Unter Religionsexperten rief das Ereignis teils Kritik hervor. "Unsere Gesellschaft ist nicht wirklich dazu bereit, religiösen Bekenntnissen so viel Platz im öffentlichen Raum zu geben", sagte etwa der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster, Mouhanad Khorchide, dem Internetportal kirche-und-leben.de. Der Ruf beinhalte das islamische Glaubensbekenntnis und fordere Menschen zum Gebet auf. "Dies könnte von vielen als Provokation empfunden werden." Hinzu komme, dass der verantwortliche Moscheeverband Ditib in der breiten Bevölkerung auf Misstrauen stoße.
Das katholische Hilfswerk missio Aachen mahnte: "Wir hoffen, dass der erste öffentliche Ruf eines Muezzins an einer Moschee in Deutschland auch zum Weckruf für das umfassende Recht auf Religionsfreiheit von religiösen Minderheiten in der Türkei wird."
Religionsfreiheit und politische Verantwortung
Man sehe den Ruf "als Zeichen von Normalität in einer offenen Gesellschaft, in der das Menschenrecht auf Religionsfreiheit für alle gleichermaßen gilt", erläuterte missio-Präsident Dirk Bingener. Damit erwachse für die Ditib die politische Verantwortung, sich als Teil der türkischen Religionsbehörde für dieses Menschenrecht und die gesellschaftliche Akzeptanz von Christen und anderen religiösen Minderheiten in der Türkei einzusetzen. "Hierzu hätte ich mir ein deutliches Zeichen an diesem Tag gewünscht", so Bingener.
Laut der Stadt Köln haben rund zehn weitere Moscheen Interesse an dem Pilotprojekt bekundet. Deutschlandweit gibt es der Ditib zufolge bereits etwa 250 Moscheen, an denen der Muezzin offiziell ruft. Die Kölner Zentralmoschee habe aber einen höheren Symbolwert.