Erster Streik in katholischem Krankenhaus hat begonnen

Bistum Trier: "Nicht zielführend"

Das kirchliche Arbeitsrecht sieht keine Streiks in katholischen Einrichtungen vor. Auch wenn die arbeitsrechtlichen Folgen für die Teilnehmer unklar sind, geben sich die Streikwilligen unbeirrt. Sie fordern bessere Arbeitsbedingungen.

Streik / ©  Sophia Kembowski (dpa)
Streik / © Sophia Kembowski ( dpa )

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat am Mittwochmorgen ein Streik in einem Krankenhaus in katholischer Trägerschaft begonnen. Vor der Marienhausklinik im saarländischen Ottweiler versammelten sich um sechs Uhr rund zwei Dutzend Personen zum Auftakt eines Warnstreiks für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege. Das rund 120 Betten zählende Krankenhaus gehört zur Marienhaus Stiftung der Waldbreitbacher Franziskanerinnen, einem der größten kirchlichen Träger sozialer Einrichtungen in Deutschland.

"Gefordert werden bessere Arbeitsbedingungen, um Patienten eine würdevolle und menschliche Pflege zukommen lassen zu können", so Verdi-Gewerkschaftssekretär Michael Quetting. Nur mit mehr Personal seien erträgliche Arbeitsbedingungen möglich. Die Trägergesellschaft habe die Verhandlungen jedoch für beendet erklärt, weshalb es nun zu dem Warnstreik komme. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi rechnet damit, dass im Tagesverlauf rund 20 Prozent der etwa 300 Beschäftigten dem Streikaufruf folgen. Nach Angaben der Klinikleitung haben zur Frühschicht jedoch maximal drei Prozent der Mitarbeiter ihre Arbeit niedergelegt. "Der Routinebetrieb läuft, insoweit läuft der Streik ins Leere", sagte Geschäftsführer Günter Merschbächer. Ob den Teilnehmern eine Abmahnung drohe, ließ er offen: "Arbeitsrechtliche Konsequenzen stehen für uns nicht im Vordergrund, sondern die Sicherung des Betriebes."

Streik unzulässig?

Die Marienhaus Stiftung wies die Vorwürfe mangelnder Verhandlungsbereitschaft zurück. In einem von Klinikleitung und Mitarbeitervertretung unterzeichneten Schreiben an alle Mitarbeiter heißt es, man sei weiter bereit, mit Verdi Gespräche über eine Entlastung der Pflege auf Ebene der Saarländischen Krankenhausgesellschaft zu führen. Es stehe jedem Mitarbeiter frei, in seiner Freizeit an der Demonstration teilzunehmen. Der Streik sei jedoch unzulässig, weshalb während ihrer Arbeitszeit teilnehmende Angestellte mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müssten.

Die Leitung des Bistums Trier, in dessen Gebiet die Klinik liegt, zeigte im Vorfeld  kein Verständnis für den Ausstand. Warnstreiks seien im "Dritten Weg" nicht vorgesehen und "nicht zielführend", erklärte die Diözese am Dienstagabend. Es erzeuge großes Unverständnis, wenn die Gewerkschaft Beschäftigte aufrufe, sich "an einem rechtswidrigen Streik zu beteiligen" und ihnen damit arbeitsrechtliche Konsequenzen zumute.

Die saarländische Landtagsvizepräsidentin Isolde Ries (SPD) kritisierte den konsensorientierten "Dritten Weg" im kirchlichen Arbeitsrecht. "Dieser Sonderweg der Kirchen ist ein Irrweg, das Streikrecht ist ein Grundrecht" sagte die SPD-Politikerin zum Auftakt der Arbeitsniederlegung. Der "Dritte Weg" sei kein Nachteil für die Beschäftigten, entgegnete der Geschäftsführer der Marienhaus Gruppe, Heinz-Jürgen Scheid: "Die Personalbesetzung und die Arbeitsbedingungen in kirchlichen Betrieben sind sehr stark an den öffentlichen Dienst angelegt." Scheid zeigte Verständnis für die Verdi-Kritik an den Arbeitsbedingungen in der Pflege. Dennoch sei ein Streik das falsche Mittel. "Das Thema ist auf Bundes- und Landesebene zu klären." Mehr Stellen in der Pflege müssten die Kliniken auch gegenfinanzieren können.

Streik bei evangelischen Einrichtungen

In den vergangenen Jahren gab es Streiks in evangelischen Institutionen, darunter Krankenhäuser und Einrichtungen der Diakonie. Zudem hatten katholische Mitarbeitervertretungen - in kirchlichen Einrichtungen das Gegenstück zu Betriebsräten - sich mit Streiks solidarisiert, ohne daran teilzunehmen.

Das Grundgesetz gewährt den Kirchen das Recht, ihre Angelegenheiten weitgehend selbstständig zu regeln. Das Betriebsverfassungsgesetz und die Möglichkeiten von Streiks und Aussperrung gelten für die Kirchen nicht. Alle Fragen des Tarifrechts werden durch paritätisch aus Dienstgebern und Dienstnehmern besetzte Kommissionen geregelt.

Gewerkschaften kritisieren seit Jahren diesen außerhalb des allgemeinen Tarifvertragsrechts stehenden "Dritten Weg" konsensorientierter Lohnabschlüsse. Im November 2012 entschied das Bundesarbeitsgericht, dass Streiks in kirchlichen Betrieben unter stark eingeschränkten Bedingungen erlaubt sein könnten.


Quelle:
KNA