Erzbischof Heße dringt in Kenia auf mehr Klimagerechtigkeit

Fluchtursachen bekämpfen

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße, Vorsitzender der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz, hat konkrete Schritte für mehr Klimagerechtigkeit gefordert. Er beendet an diesem Samstag eine siebentägige Kenia-Reise.

Erzbischof Stefan Heße im Flüchtlingslager Kakuma Refugee Camp 4 in Turkana County, im Norden Kenias / ©  Maximilian von Lachner (epd)
Erzbischof Stefan Heße im Flüchtlingslager Kakuma Refugee Camp 4 in Turkana County, im Norden Kenias / © Maximilian von Lachner ( epd )

epd: Sie sind in Kenia mit Geflüchteten ins Gespräch gekommen. Was nehmen Sie aus diesen Gesprächen mit?

Erzbischof Stefan Heße (Erzbischof von Hamburg und Vorsitzender der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz): In Kenia haben insgesamt etwa 800.000 Menschen Zuflucht gefunden. Obwohl das Land selbst mit großer Armut zu kämpfen hat, zeigt es sich seit vielen Jahren gastfreundlich. Die Flüchtlinge, die ich auf meiner Reise getroffen habe, betonten, wie froh sie sind, hier in Sicherheit leben zu können.

Und bei den Gottesdiensten, die ich mit schutzsuchenden Menschen gefeiert habe, konnte ich spüren: Der Glaube gibt ihnen Kraft. Gleichzeitig haben sie aber auch ihre Probleme geschildert: Die beiden großen Lager Dadaab und Kakuma, wo fast 90 Prozent aller Flüchtlinge leben, befinden sich in stark benachteiligten Regionen.

Auch im städtischen Kontext in Nairobi stoßen Geflüchtete auf zahlreiche Hürden, sei es im Bildungsbereich oder auf dem Arbeitsmarkt. Auf politischer Ebene gibt es in letzter Zeit verstärkt Bemühungen, eine Integrationsperspektive zu entwickeln. Damit verbinden sich große Hoffnungen - für Geflüchtete ebenso wie für die Aufnahmegesellschaft.

Erzbischof Stefan Heße besucht Kenia / © Maximilian von Lachner (DBK)
Erzbischof Stefan Heße besucht Kenia / © Maximilian von Lachner ( DBK )

epd: Was sind die Hauptursachen für Flucht in dem ostafrikanischen Land?

Heße: Die meisten Flüchtlinge hier stammen aus Somalia und dem Südsudan. Weitere Herkunftsländer sind die Demokratische Republik Kongo, Äthiopien, Burundi, der Sudan, Uganda, Eritrea und auch Ruanda. Die Schutzsuchenden, mit denen ich gesprochen habe, berichteten von gewaltsamen Konflikten und schweren Menschenrechtsverletzungen in ihren Heimatländern. Außerdem sind zunehmend auch Naturkatastrophen zur Fluchtursache geworden. In der gesamten Region Ostafrika gibt es mehr als fünf Millionen Flüchtlinge und über 18 Millionen Binnenvertriebene.

Diese Zahlen lassen erahnen, wie groß die Herausforderungen sind. Und sie verdeutlichen, dass es völlig verfehlt ist, wenn der Eindruck erweckt wird, Europa würde den Großteil aller Flüchtlinge aufnehmen - das Gegenteil ist der Fall.

epd: Die Bundesregierung hat mit Kenia ein Migrationsabkommen verhandelt, das nach letzter rechtlicher Prüfung im September unterzeichnet werden soll. Ziel der Abkommen ist es in der Regel, Fluchtmigration aus diesen Ländern nach Deutschland zu verringern, dafür aber mehr legale Einwanderungswege zu öffnen. Auch Rückführungen sollen geregelter ablaufen. Wie stehen Sie einem solchen Abkommen gegenüber? Hatten Sie darüber mit Ihren Gesprächspartnern in Kenia gesprochen?

Heße: Das geplante Migrationsabkommen war immer wieder Thema. Wenn es dabei fair zugeht und Kenia nicht um jene Fachkräfte gebracht wird, auf die das Land selbst angewiesen ist, kann ein solches Abkommen für beide Seiten ein Gewinn sein. Man muss aber auch sagen: Flüchtlingspolitisch wird ein Migrationsabkommen mit Kenia kaum eine Rolle spielen - schon allein deshalb, weil Kenia glücklicherweise kein nennenswertes Herkunftsland von Asylbewerbern ist.

epd: Wie kann die Kirche - in Deutschland und vor Ort - Schutzsuchende in Ostafrika unterstützen?

Heße: Das starke kirchliche Engagement, das ich hier vor Ort erleben durfte, hat mich tief beeindruckt. Im Flüchtlingslager Kakuma konnte ich mehrere Hilfsprojekte des Jesuiten-Flüchtlingsdiensts und der Salesianer Don Boscos besuchen: Kindern und jungen Erwachsenen werden dringend benötigte Bildungsmöglichkeiten eröffnet, auch Schülern mit Behinderungen; Schutzsuchende, die Opfer von sexueller Gewalt wurden, finden hier - im wahrsten Sinne des Wortes - einen "sicheren Hafen".

In Nairobi konnte ich ebenfalls sehen, wie intensiv sich die Ortskirche zusammen mit internationalen Partnern dafür einsetzt, dass Geflüchtete in Würde leben können. Es ist wichtig, dass wir als Kirche in Deutschland die Not der Flüchtlinge in Ostafrika wahrnehmen und in unserer Unterstützung nicht nachlassen.

epd: In Kenia häufen sich Wetterextreme: Dürre, Überschwemmungen mit vielen Todesopfern, viele Menschen haben ihr Zuhause verloren. Experten führen das auf den Klimawandel zurück, dabei hat die überwiegende Mehrheit der Menschen in Kenia selbst nichts zum Klimawandel beigetragen. Wie kann Deutschland und Europa Kenia und andere stark betroffene Länder dabei unterstützen, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen?

Erzbischof Stefan Heße besucht Kenia / © Maximilian von Lachner (DBK)
Erzbischof Stefan Heße besucht Kenia / © Maximilian von Lachner ( DBK )

Heße: Klimainduzierte Migrationsbewegungen sind in Ostafrika zu einer existenziell wichtigen Frage geworden. Bei meinem Besuch im Turkana County im Nordwesten Kenias haben die Menschen berichtet, dass sie die Folgen des Klimawandels ganz handfest spüren: Sowohl extreme Dürreperioden als auch extreme Überschwemmungen rauben ihnen die natürlichen Lebensgrundlagen. Deshalb werden zum Beispiel Maßnahmen zur Stärkung der Klimaresilienz im ländlichen Raum als überlebensnotwendig erachtet. Solche Ansätze sollten auch in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gestärkt werden.

epd: Was bedeutet das mit Blick auf das Thema Klimagerechtigkeit?

Heße: Unsere moralische Verpflichtung lässt sich mit einer Zahl untermauern: Ein Deutscher stößt im Jahr durchschnittlich über 20 Mal so viel CO2 aus wie ein Kenianer. Papst Franziskus erinnert uns immer wieder eindringlich daran, ganz konkrete Schritte für Klimagerechtigkeit zu tun. Das heißt: Die Hauptverursacher des menschengemachten Klimawandels müssen mehr in den Klimaschutz investieren und die betroffenen Länder nach Kräften unterstützen.

Das Interview führte Stephan Cezanne.

Quelle:
epd