Seit rund hundert Jahren gehören politische, gesellschaftliche, kulturelle Botschaften untrennbar zum Kölner Rosenmontagszug. Sie sollen Missstände satirisch aufs Korn nehmen und humorvoll zur Schau stellen. Aber wo sind da die Grenzen? Im aktuellen Fall gibt es die vom Kölner Rosenmontagszugleiter Marc Michelske veröffentlichte Skizze eines Persiflagewagens, dessen Botschaft an die katholische Kirche adressiert ist. Zu sehen ist ein Beichtstuhl, in den ein Messdiener gelockt werden soll. Die Aufschrift: "Jesus liebt dich". Nach offizieller Aussage des Zugleiters sollen die zahlreichen Fälle sexueller Gewalt in der katholischen Kirche weltweit an den Pranger gestellt werden, die auch ehrenamtlich Tätigen schadeten.
"Gottes Sohn wird direkt mit dem Missbrauch in Verbindung gebracht"
In einem Brief, der auf der Internetseite des Erzbistums Köln veröffentlicht wurde, hat nun der Amtsleiter des Erzbischöflichen Generalvikariats, Frank Hüppelshäuser, zu dieser Karikatur Stellung bezogen. Aus der Position als Amtsleiter, aber auch als Katholik und Vaters zweier Söhne richtet er diesen Brief an den Präsidenten des Festkomitees Kölner Karneval, Christoph Kuckelkorn und an den Leiter des Rosenmontagszuges, Michalske. Die Persiflage habe in ihrer verlauteten Botschaft ihre Berechtigung, jedoch sei ein "Jesus liebt dich" als Beschriftung des Beichtstuhls "weder lustig, noch geht im Karneval alles". Denn mit der Darstellung werde suggeriert, dass nicht etwa "Menschen, Täter oder die Kirche" angeklagt würden, sondern "durch die Aufschrift auf dem Beichtstuhl 'Jesus liebt dich' wird Jesus, also Gottes Sohn, direkt mit dem Missbrauch in Verbindung gebracht".

Je nach Lesart sitze Jesus selbst im Beichtstuhl und wolle den Messdiener durch Handzeichen dort hineinziehen. "Zumindest wird Jesus hier instrumentalisiert. Jesus war nicht nur Mensch, sondern ist für immerhin ca. 2,5 Mrd. Christen der Sohn Gottes – er ist nach unserem Glauben Gott."
Protest auch von der CDU
Das gehe zu weit, konstatiert Frank Hüppelshäuser, denn "wenn man dem Sohn Gottes ein Mitverschulden an den schrecklichen Missbrauchstaten, die auch und gerade in der katholischen Kirche geschehen sind, unterstellt, ist eine Grenze überschritten, die mit keinem Grund der Welt zu rechtfertigen ist".
In Bezug zum diesjährigen Kölner Karnevalsmotto " FasteLOVEnd – Wenn Dräum widder blöhe" (Karneval, wenn Träume wieder blühen) schreibt Hüppelshäuser, dass wenn der Mottowagen "unsere Träume wiederspiegeln soll, wird mir nicht nur um den Karneval angst und bange".
Unterdessen kommt auch aus anderer Richtung Kritik an dem Karnevalswagen. Wie der Kölner Stadtanzeiger berichtet, nennen mehrere Lokalpolitiker der CDU in einem Brief an Festkomitee-Präsident Kuckelkorn das Motiv eine Geschmacklosigkeit und fordern einen Verzicht auf das Motiv.
Festkomitee bleibt bei seiner Entscheidung
Der Wagen werde Bestandteil des Zuges am 3. März bleiben, sagte eine Sprecherin des Festkomitees am Samstag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Bereits zuvor hatte Zugleiter Michelske erklärt: "Wir freuen uns, wenn Menschen sich mit den Themen, die wir im Rosenmontagszug ansprechen, inhaltlich auseinandersetzen." Die Persiflagen im Rosenmontagszug wollten den Finger in die Wunde legen, satirisch zuspitzen und zum Nachdenken anregen.
"Befremdlich finden wir allerdings, dass nun mehrere CDU-Politiker versuchen, auf die Freiheit des Narren Einfluss zu nehmen", so Michelske. "Denen sagen wir: Nicht die Darstellung des Missbrauchs ist geschmacklos und peinlich, sondern vielmehr der Missbrauch selbst und der Umgang damit."