DOMRADIO.DE: Das Erzbistum Köln und der Deutsche Verein vom Heiligen Lande laden für den 9. Oktober um 18:30 Uhr zu einem Gottesdienst im Kölner Dom ein, der von DOMRADIO.DE in Ton und Bild übertragen wird. Was genau hat es mit dem 9. Oktober und "Abraham" auf sich?
Matthias Vogt (Generalsekretär des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande / DVHL): Die Christen im Nahen Osten feiern liturgisch an diesem Tag den Stammvater der drei großen monotheistischen Weltreligionen, Abraham. Im deutschen Kalender gibt es den Tag "Abraham" nicht. Aber im Nahen Osten ist diese Verbindung von Christentum, Judentum und Islam präsent. Deswegen haben wir uns entschieden den Tag in der Zeit zu feiern, in der die interreligiösen Beziehungen so schwierig geworden sind.
Wir sollten uns das jetzt, im Umfeld des 7. Oktobers, nochmal besonders ins Bewusstsein rufen, dass Abraham unser aller Stammvater ist, um gemeinsam für den Frieden im Heiligen Land zu beten.
DOMRADIO.DE: Der Deutsche Verein vom Heiligen Lande kümmert sich besonders um die Christen in Israel. Die gibt es sowohl auf israelischer als auch auf palästinensischer Seite. Wie ist das Verhältnis dieser beiden Gruppen zueinander und wie positionieren sie sich?
Vogt: Es ist unheimlich schwierig. Jeder lebt in seiner Welt. Palästinensische Christen in Palästina sind sehr solidarisch mit der betroffenen Bevölkerung in Gaza. Die israelischen Christen unterstützen die israelische Sicherheitspolitik bis zu einem gewissen Grad mehr als die palästinensischen, weil sie auch selbst von den Hisbollahangriffen und den Raketen der Hamas betroffen sind.
Und dann gibt es auf israelischer Seite eine christliche Gruppe von Migranten, die nicht klein ist. Es sind überwiegend Frauen, viele aus Indien oder von den Philippinen, die in hebräischsprachigen, jüdischen Haushalten in Israel arbeiten und stark auf der Seite Israels stehen.
Christen stehen auf allen Seiten und sind solidarisch mit ihrer jeweiligen Gemeinschaft, ohne sich zu bekriegen oder aber sich in den Konflikt hineinziehen zu lassen, sodass sie auch zu Konfliktparteien würden.
DOMRADIO.DE: Der DVHL betreibt auch eine Schule, ein Altenheim und ein Behindertenheim. Kann diese Arbeit im Moment fortgeführt werden?
Vogt: Die Sozial und Bildungseinrichtungen arbeiten relativ normal. Unser Alten- und Pflegeheim in der Westbank, Beit Emmaus, ist normal besetzt. Man lebt mit dem Alarm. Der iranische Angriff hat jetzt auch wieder große Unruhe erzeugt, weil man befürchtet, dass Raketenteile auf die Gebäude fallen könnten. Gott sei Dank ist nichts passiert.
Die Schule in Ostjerusalem läuft auch relativ normal. Es gibt immer mal einzelne Tage, an denen nur online Unterricht stattfinden kann. So war es am Tag nach dem iranischen Angriff. Ansonsten gibt es keine großen Einschränkungen im Schulbetrieb.
Sehr schwierig ist es in unseren beiden Gästehäusern. Dass Pilger und Gästegruppen im Moment nicht ins Land kommen, versteht sich von selbst. Wir haben immer mal Einzelgäste und wir halten die Häuser so lange es geht offen. Aber in den vergangenen zwei Wochen haben wir unser Gästehaus am See Genezareth aus Sicherheitsgründen schließen müssen. Wer immer präsent ist und die Kirchen und Klöster offen hält, sind die Benediktiner in unseren Einrichtungen: in der Dormitio-Abtei und im Kloster Tabgha.
DOMRADIO.DE: Lohnt es sich dann noch die Häuser offen zu lassen, wenn so wenige Touristen kommen?
Vogt: Es kommen ein paar wenige Einzelgäste, die aus Solidaritätsgründen im Land sind, manchmal sind es auch Menschen, die für kirchliche Einrichtungen oder politische Stiftungen auf Dienstreise sind. Aus Deutschland kamen wenige Reisegruppen, aber aus dem Rest der Welt gab es immer wieder Reisegruppen aus dem fernen Asien oder aus Mexiko zum Beispiel, die trotz der schwierigen Situation hier waren und für die wir die Häuser natürlich gerne offenhalten.
DOMRADIO.DE: Keine der Konfliktparteien scheint derzeit zum Einlenken bereit zu sein, weder die Hamas noch Israel, noch die Hisbollah oder der Iran. Sehen Sie noch eine Möglichkeit zur Intervention? Oder hilft am Ende wirklich nur noch beten?
Vogt: Politische und gesellschaftliche Initiativen bleiben natürlich wichtig. Gebete können das nicht ersetzen. Wir unterstützen als DVHL weiter die Gruppen in Israel und in Palästina, die unbeirrt an einer Lösung arbeiten und Hoffnungsträger sind, die mit viel Gegenwind gegen diesen Hass ankämpfen.
Aber darüber hinaus können wir aus Deutschland heraus in Solidarität mit den Menschen im Heiligen Land natürlich beten. Was man in der jetzigen Situation braucht, sind Raum für das Gebet und politische Initiativen für den Frieden.
Das Interview führte Tobias Fricke.