Von seiner Person hat Kardinal Friedrich Wetter nie Aufhebens gemacht. Er redet auch nicht öffentlich über andere, schon gar nicht über seinen Nachfolger im Amt des Erzbischofs von München und Freising. Seit er vor zehn Jahren den Hirtenstab an Reinhard Marx weiterreichte, hält sich der gebürtige Pfälzer im Hintergrund.
90. Geburtstag mit Erinnerung an Priester- und Bischofsweihe
Wenn es die Gesundheit zulässt, steht Wetter an hohen Kirchenfesten im Münchner Liebfrauendom mit am Altar. Bisweilen nimmt er Marx Termine ab, etwa wenn langjährige Weggefährten aus dem bayerischen Episkopat zu Grabe zu tragen sind.
Seinen 90. Geburtstag am 20. Februar hat der Jubilar nicht groß gefeiert: Es gab einen Gottesdienst im kleinen Kreis mit anschließendem Essen. Wichtiger sind ihm zwei andere Termine: die Priesterweihe, die sich im Oktober zum 65. Mal jährt, und das Goldene Jubiläum der Bischofsweihe am 29. Juni, die er vor 50 Jahren im Dom zu Speyer erhielt.
Es war Wetters ausdrücklicher Wunsch, alle drei Jubiläen mit einem gemeinsamen Fest zu begehen. Dies wird an diesem Sonntag geschehen, bei einer feierlichen Messe mit seinem Nachfolger und einem Festakt in der Katholischen Akademie Bayern.
Ringen mit Joseph Ratzinger und der Schwangerenkonfliktberatung
Am Lichtmesstag 2007 gab ein in sich ruhender Münchner Erzbischof Wetter bekannt, dass Benedikt XVI. seinen altersbedingten Rücktritt angenommen habe – nach 25 Jahren. Bei der Wahl des Papstes aus Bayern zwei Jahre zuvor hatte er noch mitgewirkt und diesen 2006 auch zum Heimatbesuch in München empfangen.
Spätestens da hatte der "bayerische Pfälzer" seinen Frieden mit Joseph Ratzinger gemacht, mit dem er zuvor in der Glaubenskongregation auch hart gerungen hatte – etwa um die Schwangerenkonfliktberatung.
Benedikt revanchierte sich, indem er Wetter zum Ende seiner Amtszeit in München eine elegante, aber selten praktizierte Übergangslösung ermöglichte. Statt der üblichen Wahl eines Diözesanadministrators durch das Domkapitel durfte sich der Kardinal noch ein Jahr lang selbst vertreten.
Erneuerung der Seelsorge im Erzbistum München und Freising
Seinem Nachfolger übergab Wetter ein "befriedetes Bistum", worauf er besonders stolz war. Lautet doch sein Wahlspruch "Der Friede sei mit Euch". An so manche Neuerung hatte er sich gewagt und etwa angesichts der weniger werdenden Priester erste Versuche mit Gemeindeleitungen ohne einen Geistlichen an der Spitze ermöglicht.
Der Nachfolger hielt davon anfangs nichts. Doch weil auch ein Bischof dazu lernt, wie Marx bekannte, hat die Erzdiözese inzwischen wieder mit Experimenten alternativer Leitungsformen begonnen.
Wetter dürfte dies freuen – im Stillen, wie es seiner Art entspricht. Seit seinem Auszug aus dem Bischofshaus lebt der Kardinal zurückgezogen im Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern. Täglich feiert er dort die Morgenmesse. Dafür feilt er an seinen Predigten, wie es sich für einen Dogmatiker gehört, der in Eichstätt und Mainz auch als Professor lehrte. Seit 2008 gibt es einen Kardinal-Wetter-Preis für Nachwuchstheologen.
Auf ein Bier mit Schauspieler Joachim Fuchsberger
Laute Auftritte oder tagespolitische Zwischenrufe waren Wetters Sache nicht – bis auf wenige Ausnahmen. 1995 ging er mit seinem evangelischen Pendant, Landesbischof Hermann von Loewenich, mit dem er sich bestens verstand, auf die Straße, um gegen das Schulkreuz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu demonstrieren, woran sich manche angesichts aktueller Kreuzdebatten in Bayern wieder erinnert fühlen.
Schwere Stunden bereitete Wetter die Millionenpleite der Gesundheits- und Sozialeinrichtungen des Deutschen Ordens kurz nach der Jahrtausendwende. In einem diplomatischen Kraftakt gelang es ihm, unter seinen Mitbrüdern Solidarität zu organisieren und durch den Einsatz erheblicher Summen Tausende Arbeitsplätze zu retten.
Gern pflegte der Sohn eines Lokführers das Gespräch mit Kulturschaffenden. Manchmal kam es spontan zu Begegnungen, etwa als Joachim Fuchsberger in München als Pfarrer auf der Bühne stand. Der Schauspieler schwärmte davon: Im Anschluss hätten sich beide bei einem Bier prima unterhalten.
Von Barbara Just