Einen "Wettstreit mancher Politiker um gute Schlagzeilen finde ich unglücklich", sagte er am Dienstag bei tagesschau.de. Wenn die priorisierten Gruppen durchgeimpft seien, werde dennoch "eine große Gruppe" übrigbleiben, die nicht binnen kurzer Zeit geimpft werden könne.
Für diese Situation gebe es zwei Szenarien, sagte Bormann. Entweder bleibe es dem Anstand des Einzelnen überlassen, ob man sich am "Run auf den verfügbaren Impfstoff" beteilige oder besonders belasteten Gruppen den Vortritt lasse. Oder auch diese Phase der Impfung müsse "nochmal strukturiert werden". Die Politik müsse klarstellen, auf welche Situation die Bürger sich einzustellen haben, forderte der Wissenschaftler, der Mitglied im Deutschen Ethikrat ist.
Gelassen sein
Momentan seien "viele administrative Details" in der Impfpraxis schlecht organisiert. Dies führe zu Pannen und bei manchen Menschen zu dem Eindruck, dass alle anderen sich Schlupflöcher suchten.
Bormann riet zu Gelassenheit: "Auch wenn es diese Fälle von Missbrauch zweifellos gibt: Die große Mehrheit der Menschen ist nach wie vor nicht geimpft." Zudem habe niemand etwas davon, wenn Geimpfte ihre Freiheiten nicht zurückbekämen. "Man kann den Blick auch ins Positive wenden und sagen: Ich warte auf meinen Impftermin und freue mich mit denen, die schon geimpft sind und so die Impfkampagne vorangetrieben haben."
Solidarität für andere
Solidarität sei stets wichtig, und zwar in alle Richtungen, betonte der Moraltheologe. "Allerdings müssen Solidarität und die Pflichten, die damit verbunden sind, immer auch einen Sachgrund haben. Es hilft also nicht zu sagen, jeder muss mit jedem solidarisch sein und es darf keine Veränderung geben."
Die Einschränkungen für alle so lange aufrecht zu erhalten, bis alle ein Impfangebot erhalten hätten, lehne er ab: "Das wäre des Missbrauch des Solidaritätsargumentes." So lange der Impfstoff knapp sei, müsse priorisiert werden. "Und aus den gleichen Gründen muss, wenn der Sachgrund für die Priorisierung irgendwann entfällt, auch umgekehrt klar sein, dass die Leute wieder von ihren Bürgerrechten Gebrauch machen können."