Der Vorstoß von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) gegen "Ramschpreise" für Lebensmittel stößt auf ein geteiltes Echo. Der Münsteraner Theologe und Zoologe Rainer Hagencord begrüßte die Initiative. "Man muss es deutlich sagen: Es gibt kein Grundrecht auf Billigfleisch", sagte Hagencord am Montag dem Portal katholisch.de. Den Preis für industriell produzierte und billig angebotene Lebensmittel zahlten die Umwelt und nachfolgende Generationen. Billigfleisch etwa sei in Wahrheit überhaupt nicht billig, die Kosten würden nur in die Zukunft verlagert.
Özdemir hatte der "Bild am Sonntag" gesagt, es dürfe "keine Ramschpreise für Lebensmittel mehr geben". Sie trieben Bauernhöfe in den Ruin, verhinderten mehr Tierwohl, beförderten das Artensterben und belasteten das Klima. Zugleich sei klar, dass Lebensmittel nicht zum "Luxusgut" werden dürften, so der Minister. Die Preise müssten aber stärker "die ökologische Wahrheit" ausdrücken. Es gebe drei wichtige Ziele: "ein sicheres Einkommen für unsere Bauern, gesundes Essen für uns alle sowie mehr Tierwohl, Klima- und Umweltschutz".
Mehr Tierwohl führe automatisch zu höheren Preisen
Der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, sagte der "Welt" (Montag), höhere Auflagen beim Tierwohl würden ohnehin zu höheren Preisen führen. "Bei dieser Spirale, die man dann lostritt, muss man aufpassen, dass die kleinen Bauern nicht hinten runterfallen." Mit Blick auf Sozialhilfeempfänger forderte Schneider, entsprechende Preissteigerungen müssten mit deutlich höheren Regelsätzen einhergehen. "Man kann Ökologisches und Soziales nicht trennen. Es geht nur ökosozial, sonst verliert man die Unterstützung der Bevölkerung", sagte Schneider.
Der Deutsche Caritasverband erklärte, die Diskussion um Lebensmittelpreise zeige einmal mehr, dass die Regelsätze für Empfänger von Sozialleistungen falsch kalkuliert und viel zu knapp bemessen seien. "Es sollte selbstverständlich sein, dass sich alle, auch Familien mit wenig Einkommen, mit gesunden Lebensmitteln versorgen können, die fair und umweltschonend produziert werden", sagte eine Sprecherin des Verbands katholisch.de. Dass sich bei der von Özdemir angeregten Diskussion überhaupt die Frage stelle, ob und wie sich arme Haushalte gute Lebensmittel leisten könnten, sei ein "politisches Armutszeugnis". Gerade die Hartz-IV-Regelsätze zwängen ärmere Familien dazu, sich für "Ramsch"-Lebensmittel zu entscheiden.
Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) sagte der "Welt", dass über die Ziele doch längst Einigkeit in der Gesellschaft herrsche: mehr Tierwohl, gesunde Nahrungsmittel, mehr Klimaschutz, Biodiversität und gutes Einkommen für die Bauern. So wie die Bundesregierung das angehe, werde es aber nicht funktionieren. Die Bauern brauchten "nicht mehr Verbote und Auflagen, sondern faire Erlöse". Die Ampel schwanke zwischen "Verboten der Grünen und maximaler Marktliberalisierung der FDP". Der Markt habe aber schon bisher zu immer größeren Betrieben geführt.