Am Ende blieb manche Frage offen. Und viele Teilaspekte dieses komplexen Themas rund um Pränataldiagnostik, ihre Möglichkeiten, aber auch medizinischen und psychosozialen Auswirkungen auf die Beteiligten sowie letzte Konsequenzen – in die eine wie in die andere Richtung gedacht – konnten nur angerissen werden. (Video-Mitschnitt hier)
Deutlich aber wurde bei der Diskussion mit einem Gynäkologen und Geburtshelfer, einer Humangenetikerin, einem Psychologen und einem Moraltheologen am Mittwochabend im Kölner Domforum, dass es an das umstrittene Thema "Das ‚bestellte’ Kind", sprich das sogenannte Designer-Baby nach eigenen individuellen Vorstellungen, in allen seinen Facetten nur eine Annäherung geben kann und Entscheidungen, die Eltern mit unerfülltem Kinderwunsch treffen, auch viel mit dem eigenen Gewissen zu tun haben und kaum auf einen Nenner zu bringen sind – schon gar nicht auf einen konsensfähigen. Ein "richtig" oder "falsch" – auch das wurde offenkundig – greift bei einem derart existenziellen Thema jedenfalls zu kurz.
"Wie weit wollen (dürfen) wir gehen?", lautete die Ausgangsfrage, an der entlang Moderatorin Gisela Steinhauer zunächst viele Informationen zum aktuellen medizinisch-technischen Entwicklungsstand zusammentragen ließ, der zurzeit auch gesellschaftlich diskutiert wird und Befürworter wie dezidierte Gegner dieser jüngsten wissenschaftlichen Optionen auf den Plan ruft. Dass es sich dabei um ein "Spannungsfeld zwischen Wunsch und Wirklichkeit" handelt, so der Untertitel der Podiumsveranstaltung, bei dem es sehr kontroverse Ansichten und Erfahrungen geben kann – vor allem auch je nach eigener Betroffenheit –, zeigten nicht zuletzt die sehr bewegenden Wortmeldungen aus dem Publikum.
Kardinal Woelki: Keine Programmierung von Erbanlagen
Unmissverständlich legte zunächst Rainer Maria Kardinal Woelki seine Position dar und warnte angesichts der medizinischen Machbarkeiten vor einer Grenzüberschreitung. Was 1978 noch als Sensation – nämlich der erste außerhalb des Mutterleibes gezeugte Mensch – gefeiert worden sei, gehöre 40 Jahre später zur Normalität. Etwa jede 40. Geburt gehe inzwischen auf eine künstliche Befruchtung zurück, führte der Kölner Erzbischof aus. Weltweit gäbe es mittlerweile über fünf Millionen durch In-vitro-Fertilisation entstandene Menschen. Auch wenn dadurch vielen Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch sehr viel Glück beschert worden sei, stünden dem "eine große Zahl an überzähligen Embryonen, die bei diesem Verfahren erzeugt werden müssen" gegenüber, gab er zu bedenken.
Immer genauere Diagnose-Methoden legten das Leben des ungeborenen Kindes in seiner biologischen Konstitution offen. Während beim Praena-Test die Trisomien 13, 18 und 21 bestimmt werden könnten, sei eine weitere Herausforderung die sogenannte Gen-Schere – mit dem Fachbegriff CRISPR/Cas9. "Mit diesem Verfahren wird es in Zukunft möglich sein, je nach therapeutischem Nutzen bestimmte Abschnitte im Erbgut präzise herauszuschneiden, von denen man weiß, dass sie später einmal bestimmte Krankheiten auslösen werden.” Eine technische Weiterentwicklung aber führe dazu, so Woelki, dass Heilung und Manipulation des Menschen zukünftig näher beieinander lägen. Dieser Nutzen bedeute dann nämlich auch, "gestalterisch tätig” werden zu können, etwa bei der Haar- oder Augenfarbe eines Kindes oder gewünschten Begabungen. Auch wenn der Wunsch nach einem gesunden Kind nur allzu verständlich sei, erklärte der Kardinal, dürfe es nicht zu einer "Programmierung” von Erbanlagen kommen, die zwar dann ein gesundes Kind garantierten, aber eben auch noch weitere Eingriffe bezüglich Geschlechtswahl oder Aussehen eröffneten.
Auf dem Weg zu einem Designer-Baby
Gott kenne keine Relativierung von menschlichem Leben, sagte Woelki in diesem Zusammenhang. In dieser Frage gäbe es für Glaubende daher kein relativierendes "Eigentlich”. Für Christen gelte, so Kardinal Woelki, "Gott sagt: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen”. Wer anfange, eine Liste mit Lebenskriterien zu führen, der werde auf Dauer überhaupt keine Grenze mehr haben und dafür sorgen, dass Eltern eines behinderten Kindes zunehmend mit dem Satz konfrontiert würden: So etwas muss doch heute nun wirklich nicht mehr sein. Trotzdem, das betonte Woelki ausdrücklich, gehe es ihm nicht um Technik-Pessimismus und schon gar nicht darum, den moralischen Zeigefinger zu erheben. Vielmehr stelle sich die Frage, wo die Grenze zwischen Heilung und dem Wunsch nach einem Designer-Baby zu ziehen sei.
Wie schwierig es sein kann, moralisch zu werten oder gar allgemein gültige Maßstäbe zu formulieren, zeigten auch die anderen Veranstaltungsteilnehmer. Dr. Jens Pagels, Gynäkologe und Geburtshelfer am St. Josef Krankenhaus in Moers, erläuterte die gängigen pränataldiagnostischen Standards in seiner Klinik, ihren Nutzen und ihre Risiken für Mutter und Kind. Außerdem räumte der Vater von sechs Kindern ein – "Ich hätte ein klares ‘ja’ auch zu einem Kind mit Behinderung gesagt” – , dass mit den möglichen Tests inflationär umgegangen werde. Bei den Beratungsgesprächen mit Schwangeren könne man die Frauen in Konfliktsituationen zu einem Weg, der sie auf eine gesunde Entscheidungsbasis stelle, leiten. "Immer muss man bei allem den Menschen sehen und unter Umständen bei Empfehlungen auch andere Professionen miteinbeziehen. Am Ende aber muss eine Frau mit dem Ergebnis einer Untersuchung leben – wie auch immer es ausfällt.” Entscheidungen, so die Erfahrung Pagels, der in diesen Fragen auch die Deutsche Bischofskonferenz berät, sollten nicht adhoc und in Panik getroffen werden, sondern erst am Ende eines längeren Prozesses. Für "verwerflich” hält der Mediziner die Präimplantationsdiagnostik, wenn befruchtete Eizellen vor ihrer Einsetzung in die Gebärmutter auf ihr Gengut hin untersucht werden. "Hier sind wir stark auf dem Weg zu einem Designer-Baby.”
Raum und Zeit für die Betroffenen schaffen
Auch Professor Elisabeth Gödde, Humangenetikerin und ärztliche Psychotherapeutin in Recklingshausen, setzt bei ihrer Arbeit mit Schwangeren, die genetische Untersuchungstechniken in Anspruch nehmen, auf intensive Beratung. Gerade wenn absehbar ist, dass ein Kind im Mutterleib nicht überleben kann, müssten eine gute Betreuung und eine "ruhige Medizin”, gegebenenfalls auch eine pränatale Palliativmedizin, greifen, sagte sie. Die Diagnose einer schweren Schädigung des Kindes könne zu einer Belastung führen, an der Partnerschaften und ganze Familien zerbrechen könnten. Auch mit gutem Willen lasse sich ein solcher Einbruch, der das Bild von einem gesunden Kind zunichte mache, nicht immer bewältigen. Außerdem gehe es in den Gesprächen darum herauszufinden, wieviel Abweichen von der Normalität ein Paar überhaupt aushalte, wenn es sich für das kranke Kind entscheidet. "In der Regel sind die Menschen schwer betroffen und sehr herausgefordert, sich dieser Erfahrung zu stellen.” Letztlich seien Paare, die "in vitro” in Anspruch nähmen, in ihrer Sensibilität und Belastbarkeit ja nicht mit denen vergleichbar, die spontan schwanger würden.
Wie groß die Not von Paaren ist, deren Kinderwunsch sich nicht erfüllt oder deren Traum von einem gesunden Kind zerplatzt, schilderte Günther Bergmann, Leiter einer katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle in Köln. Dann brauche es erst einmal viel Zeit und Raum für die Betroffenen, denen aber eine psychologische Begleitung bei einer Lösungsfindung helfen könne. Wichtig sei, so der Diplom-Psychologe, der auch als geistlicher Begleiter arbeitet, ergebnisoffen zu agieren und das Gebot der Kirche auf der einen Seite und das Selbstbestimmungsrecht der Frau auf der anderen nicht gegeneinander auszuspielen, sondern über das Vertrauen in einen länger angelegten Gesprächsprozess zu einer Lösung zu kommen, die für das Paar gut ist.
Kind als Geschenk
Ein klares Bekenntnis zur Lehrmeinung der katholischen Kirche gab es von dem Bonner Moraltheologen Professor Jochen Sautermeister. "Ein Kind ist ein Geschenk und darf nicht als Mittel zur Erfüllung eigener Interessen herhalten”, betonte er. Kritisch sei vielmehr die Haltung gegenüber menschlicher Begrenzung und Endlichkeit zu hinterfragen. Und ganz entscheidend: Wie können wir Menschen helfen, damit sie mit ihrer Begrenzung leben können? Schließlich erfülle sich auch nur für 20 Prozent der Kinderwunsch nach einer künstlichen Befruchtung. Außerdem müsse im Kontext der Reproduktionsmedizin das Kindeswohl als maßgebliche Leitlinie im Blick bleiben. Eine Grenze gebe es ganz klar, wenn nach Eigenschaften und Lebenswert selektiert werde. Sautermeister plädierte angesichts der bestehenden Regelungen für mehr psycho-soziale Beratung, "damit Menschen zu einer verantwortlichen Entscheidung kommen können”.
"Es gibt kein Recht auf ein Kind”, hielt Woelki im Diskussionsverlauf dem Adoptionswunsch von homosexuellen Paaren entgegen. Auch dieses Thema wurde kurz gestreift. "Ein Kind ist mehr als das Produkt eines wie auch immer gearteten Zeugungsvorgangs, mehr als nur eine Wunschvorstellung”, argumentierte der Kardinal. "Menschen, die ein Kind wollen, entscheiden sich zur Teilhabe am Schöpfungsgedanken.” Wiederholt mahnte er, sich bewusst zu machen, dass in der Reproduktionsmedizin für das eine Kind gleichzeitig "eine Vielzahl real existierender Menschen getötet würden”. Wer entscheide über das Lebensrecht eines Kindes, fragte er dabei in die Runde. "Wir würden ja auch Menschen mit Behinderung nicht zur Disposition stellen. Daher dürfen wir das auch nicht in dieser Phase.”
Beatrice Tomasetti (DR)