Kardinal Hollerich sieht große Chancen in der Weltsynode

"Es liegt an uns"

Der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich hat als Generalrelator eine Schlüsselposition beim synodalen Prozess der Weltkirche. Für Reformen müsse die Kirche auch bereit sein, ihre "Spielregeln" zu ändern, betont er im Interview. 

Kardinal Jean-Claude Hollerich (m.) / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Jean-Claude Hollerich (m.) / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: An diesem Wochenende beginnt der "synodale Prozess", den Sie als Generalrelator in den kommenden zwei Jahren maßgeblich mitgestalten. Wie haben Sie die Eröffnung empfunden?

Jean-Claude Kardinal Hollerich (Erzbischof von Luxemburg und Generalrelator der Bischofssynode): Es war sehr schön. Die Rede des Papstes ist immer eine Inspiration, aber ich habe auch sehr die sechs Zeugnisse aus verschiedenen Kontinenten geschätzt, die ein gelebtes Beispiel geben, wie man heute Kirche sein kann. Auch die Diskussionen und der Austausch in den Kleingruppen war sehr inspirierend. Ich war in einer französischsprachigen Gruppe.

DOMRADIO.DE: Was wird denn in diesen Kleingruppen besprochen?

Hollerich: Jeder hat reflektiert, was ihn am meisten berührt hat. Von da sind wir dann ausgegangen zur Erfahrung von Solidarität. Das war wunderschön. Die Frauen, die dort waren, haben gesagt, dass wir auf die Frauen hören sollen, einen zentraleren Platz für die Frauen in der Kirche schaffen müssen. Damit kann ich nur einverstanden sein.

DOMRADIO.DE: Das Konzept "Synodalität" ist ja gerade für Außenstehende schwer zu erklären. Sie haben selber auch gesagt, Sie gehen in den Prozess mit einem leeren Dokument und im Laufe des Prozesses wird sich das mit Inhalt füllen. 

Hollerich: Ich glaube der Relator der Synode muss der große Zuhörer sein. Also ich muss genau aufpassen, was auf der ganzen Welt geredet wird, wie es geredet wird. Ich muss das aufnehmen können, ich muss es verstehen können, ich muss es ausdrücken können.

DOMRADIO.DE: Das stelle ich mir sehr schwierig vor. Ein komplett leeres Blatt kann es ja nicht sein, da es ja Bereiche in der Kirche mit großem Reformbedarf gibt.

Hollerich: Ja, aber was sagt uns der Heilige Geist, wie wir das angehen sollen? Es ist gerade die Offenheit des Prozesses. Es gibt ein vielfältiges Zuhören. Jetzt beginnt es hoffentlich in kleinen Gruppen, dann geht es rauf zur Diözesanebene, dann auf die Ebene der Bischofskonferenz und der Kontinentalebenen. Und nachher die Bischofssynode zum Schluss. Und jedes Mal muss ja ein neues Zuhören da sein. Das heißt, ich muss auch bereit sein, meine eigenen Positionen zu ändern.

Es ist klar, jeder geht mit gewissen Erwartungen in den Prozess hinein. Nur darf ich meine nicht äußern, weil ich sonst den Leuten sozusagen einen Riegel vorschiebe, für das, was sie wollen oder wie Gott sie inspiriert. Aber diese Erwartungen oder die konkreten Sachen, an die ich denke, das wird sich vielleicht ändern durch das, was ich höre. Das heißt, ich muss in diesen Prozess hineingehen, als jemand, der bereit ist, sich zu ändern und seine Meinung zu ändern. Sonst wird das eine kirchenpolitische Debatte, und das ist nicht gefragt.

DOMRADIO.DE: Das fällt der Kirche ja grundsätzlich schwer. Das ist wahrscheinlich auch eine große Herausforderung, von den eigenen Standpunkten mal abzurücken?

Hollerich: Ja. Wir sehen ja, wir haben Verhärtungen auf der rechten und linken Seite der Kirche. Und das ist nicht gut für die Kirche. Da wird polarisiert. Der Weg der Mitte wird immer schmaler. Wir müssen jetzt zusammen einen neuen Weg der Mitte finden, den hoffentlich alle mitgehen können.

DOMRADIO.DE: Es gibt den Vorschlag von Kardinal Grech, dem Synodensekretär, dass Abschlussdokument, das sonst 2023 an den Papst gehen würde, stattdessen direkt in die Diözesen zu geben. Das wäre ein völlig neuer Schritt. Was halten Sie davon?

Hollerich: Das war ein mutiger Vorschlag, zu allererst. Das ist ja anders als das, was in den Regeln steht. Und normalerweise ist man immer verpflichtet, die eigenen Regeln zu befolgen oder die Regeln, die gegeben sind. Es gibt bei Spielen gewisse Spielregeln, die hält man ein, aber für einen Prozess, der so offen ist, wie diese Synode, fand ich es wunderschön, dass Kardinal Grech eine Änderung der Spielregeln vorgeschlagen hat. Er hat aber auch gesagt: Es ist nicht an mir, das jetzt zu entscheiden. Aber er hat damit gezeigt, was alles möglich ist. Und dafür bin ich ihm sehr dankbar.

Es ist sehr, sehr vieles in dieser Synode möglich und es liegt wirklich an uns, etwas daraus zu machen. Kardinal Grech, je mehr ich mit ihm zusammenarbeitete, desto mehr schätze ich ihn, als einen Mensch von großer Offenheit, großer Intelligenz, großer Geschwisterlichkeit. Das sagt er nicht nur, das lebt er auch.

DOMRADIO.DE: Sie haben gesagt: Die Spielregeln ändern sich, können sich ändern. Das ist ja auch etwas, was man grundsätzlich an diesem Prozess merkt. Dass einer Synode ein zweijähriger weltweiter Prozess vorgeschaltet wird, ist völlig neu. Das ist für Sie sicher auch ein riesiger Berg Arbeit, vor dem Sie stehen, oder?

Hollerich: Ja. Ich muss mir wirklich Zeit nehmen, um zuzuhören. Wenn ich nicht mehr verstehe oder nicht aufnehmen kann, oder sagen wir in einer Position so festgefahren bin, dass ich die Nuancen nicht mehr mitbekomme, dann wird es keine gute Synode werden. Sie müssen also für mich beten, dass ich das fertigbringe.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

 

Papst Franziskus eröffnet Weltsynode / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus eröffnet Weltsynode / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR
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