DOMRADIO.DE: War 2020 für Sie und Ihre Chöre ein bitteres Jahr?
Michael Kokott (Chorleiter, leitet unter anderem den Kölner Jugendchor St. Stephan): Es war eine Achterbahn der Gefühle, würde ich sagen. Im März konnten wir noch singen. Aber da zeichnete sich allerdings schon der erste Lockdown ab.
Als wir dann die letzte Probe hinter uns hatten und dann überhaupt gar keine Aussicht mehr bestand, war das schon ein tiefes Loch, in das ich als Chorleiter gefallen bin. Und viele der Chormitglieder natürlich auch. Irgendwann kam dann wieder ein bisschen Licht, als die Hoffnung aufkeimt, dass wir wieder singen konnten. Dann war das nach den Sommerferien auch Gott sei Dank zwischen den Sommerferien und den Herbstferien möglich. Die Zeit haben wir auch sehr genossen.
DOMRADIO.DE: Ein Chor lebt ja von der Musik und für die Musik. Was haben Sie denn gemacht, um die Motivation der Sängerinnen und Sänger über die probenlose Zeit zu retten?
Kokott: Viele haben ja Internetproben über Zoom (Plattform für Videokonferenzen, Anm. d. Red.) gemacht. Das habe ich nicht gemacht, weil meine Chöre zum größten Teil auch sehr groß sind. Da ist das technisch sehr schwierig und glaube ich, auch nicht so sonderlich effektiv. Ich hab dann jede Woche eine E-Mail geschrieben mit aufmunternden Worten. Da kamen auch viele Reaktionen. Viele haben sich darüber sehr gefreut, weil das oft über die Distanz die Gemeinschaft zusammengehalten hat.
DOMRADIO.DE: Das größte Problem haben Sie jetzt gerade schon angesprochen. Das waren Proben in kleinen, geschlossenen Räumen. Für große Chöre ist das unmöglich. Um das zu umgehen, muss man sich dann ja richtig was ausdenken. Was war die außergewöhnlichste Chorprobe, die Sie in diesem Jahr hatten?
Kokott: Ach, das waren viele. Als wir nach den Sommerferien wieder anfangen konnten, war das in unseren normalen Proberäumen gar nicht möglich. Ich bin dann auf die Suche gegangen, wo ich die verschiedenen Chöre unterbringen konnte. Wir haben beispielsweise mit dem Jugendchor im Parkhaus geprobt. Das war toll, weil das einfach eine große Fläche war und weil da auch die Durchlüftung perfekt war und wir große Abstände hatten. Und es klang einfach super.
Der Männerchor ist beispielsweise ins Brauhaus gegangen. Da war ein großer Raum, wo wir auf zwei Ebenen proben konnten – und das passte natürlich irgendwie auch, dass ein Männerchor ausgerechnet im Brauhaus probt. Der Kinderchor war aufgeteilt in Kirchen und in einem Gemeindesaal, der sehr groß war. Ich habe in den Chorproben teilweise die Chöre auch geteilt, sodass wir mit den Abständen hinkamen. Es waren also sehr unterschiedliche Örtlichkeiten, aber es hat alles wunderbar funktioniert.
DOMRADIO.DE: Gestern Abend ist dann auch noch ein ganz besonderer Rückblick ihrer Chöre auf YouTube online gegangen. Welche Idee steckt dahinter?
Kokott: Mit allen Chören habe ich dieses Lied von Kasalla "Immer noch do" gesungen, weil das widerspiegelt, dass wir durchhalten und auch nicht die Hoffnung verlieren, dass es irgendwann wieder besser wird. Da habe ich bei den Proben im Herbst immer mal ab und zu kleine Videos gemacht und die haben wir jetzt zusammengeschnitten zu einem Gesamtvideo.
Das ist vielleicht auch ein kleines Zeitzeugnis aus diesem Corona-Jahr für Chöre, an das man sich später mal erinnert und sagt: Mein Gott, die haben da auf dem Parkhaus gestanden, die haben draußen auf der Wiese gestanden und die haben das mit so einer Freude und Leidenschaft gesungen. Das sind vier Minuten Gänsehaut, würde ich sagen.
DOMRADIO.DE: Was ist die Botschaft hinter diesem Stück?
Kokott: "Weil ma su schnell nit kapott jeht und weil de Sonn immer widder op jeht" (Weil man so schnell nicht kaputtgeht und weil der Sonne immer wieder aufgeht) – das ist eigentlich der Text. Besser kann ich es nicht formulieren. Und ich denke auch, das wird nächstes Jahr wieder alles gut.
Das Interview führte Hilde Regeniter.