DOMRADIO.DE: Eine Entscheidung, wer ein Beatmungsgerät bekommt oder nicht, möchte ja weder ein Arzt noch ein Angehöriger fällen. Warum ist es wichtig, sich vorher über eine solche mögliche Situation Gedanken zu machen?
Pastoralreferent Ulrich Fink (Diözesanbeauftragter für Ethik und Gesundheitswesen im Erzbistum Köln): Damit man in der Akutsituation nicht davon überrascht wird, sondern im Vorhinein weiß, nach welchen Kriterien und nach welchen Maßnahmen man dann entscheiden soll. Das ist eine Situation, die hat unser Gesundheitswesen, vor allen Dingen die Ärztinnen und Ärzte, so noch nicht erlebt.
Es gibt zwar immer mal die Situation, dass man entscheiden muss, bei welchem Patienten noch eine Behandlung fortgeführt wird und wo nicht. Aber dass man aufgrund von Mangel an Ressourcen eine Entscheidung treffen muss, das gab es bisher – außer in Kriegssituationen –noch nicht.
DOMRADIO.DE: Nun hat Angela Merkel mit China verhandelt. Und bisher sieht es tatsächlich so aus, dass wir aus China zusätzliches Material und auch Beatmungsgeräte bekommen können. Falls es aber doch zu so einer Entscheidungssituation kommt, was ist dann wichtig?
Fink: Dann ist es wichtig, dass die Menschen durch ein festgelegtes und transparentes Verfahren eine Unterstützung bekommen und nicht alleingelassen werden. Vor allen Dingen ist wichtig, wenn es tatsächlich zu einer Situation kommen sollte, was keiner hofft, – dass man also einem Patienten eine Behandlung vorenthält, was dann auch zum Tode führen würde – muss das zum Beispiel auch für die Angehörigen nachvollziehbar sein.
Es muss vergleichbar sein, sodass das nicht in der einen Klinik so und in einer anderen Klinik anders entschieden wird.
DOMRADIO.DE: Das heißt, eine Einheitlichkeit ist wichtig.
Fink: Genau, ja. Darauf haben sich sieben medizinische Fachgesellschaften und die Akademie für Ethik in der Medizin Ende März geeinigt, solche Kriterien zu formulieren, wenn es doch, was wie gesagt keiner hofft, zu einer solchen Situation kommen sollte.
Die Kliniken bereiten sich ja im Moment auch technisch darauf vor, dass sie die Anzahl der möglichen Beatmungs- und Intensivplätze vorhalten und hochfahren. Aber wenn es doch eng werden wird, dann ist es wichtig, im Vorhinein solche Kriterien zu haben.
DOMRADIO.DE: Wenn Menschen so eine Entscheidung treffen müssen, dann werden sie zu Entscheidern über Leben und Tod. Und auch die, die diese Entscheidungen treffen, werden hinterher sicherlich selber psychisch so belastet sein, dass es die Menschen auch psychisch krank machen kann. Sie möchten Ethikberater von Kliniken unterstützen. Inwiefern?
Fink: Wir selber sind Ethikberater in unserem Team und haben auch Kollegen, vor allen Dingen aus der Seelsorge, ausgebildet zu Ethikberaterinnen.
Diese Empfehlungen der Medizinischen Fachgesellschaften und der Akademie für Ethik in der Medizin sehen vor, dass bei solchen Entscheidungen ein sogenanntes interprofessionelles Mehr-Augen-Team-Prinzip wirken soll, an dem zwei Ärzte, eine Pflegekraft und möglichst auch ein klinischer Ethiker oder eine Ethikerin teilnehmen soll.
Da nicht überall ethische Strukturen in den Kliniken schon vorhanden sind, möchten wir diese Kliniken unterstützen oder auch die Kolleginnen und Kollegen vor Ort, die sagen: Wir können das alleine nicht stemmen.
DOMRADIO.DE: Es wird bald auch eine Hotline eingerichtet: die ambulante Covid-19 Ethikberatung Erzbistum Köln. Für wen ist das Angebot gedacht?
Fink: Das ist für alle Kliniken auf dem Gebiet des Erzbistums Köln erstmal gedacht, weil wir nicht wissen, wie hoch der Bedarf sein wird und ob man diese Teilnahme und Mitwirkung an diesen Entscheidungen vielleicht über Telefon oder Videokonferenz oder auch vor Ort durchführen soll.
Kliniken können sich über diese Hotline an uns wenden. Es wird eine 24-Stunden und sieben Tage Rufbereitschaft geben, wo eine erfahrene Ethikberaterin oder ein Ethikberater diesem Team zur Verfügung steht und ethische Aspekte mit in die Entscheidungen hineinbringt.
DOMRADIO.DE: Warum ist das zusätzliche Angebot nötig? Es gibt ja generell Ethikberater in Kliniken.
Fink: Die werden zuerst natürlich mal angefragt werden, aber wir wissen auch, dass es Ethikkomitees gibt, die sagen, sie können das nur begrenzt. Die Ethikkomitee-Mitglieder sind meistens nicht freigestellt für diese Aufgabe, sondern sind zusätzlich noch im ärztlichen, pflegerischen oder sonstigen Dienst involviert.
Da sind sie ja auch im Moment sehr hoch belastet. Von daher soll das ein zusätzliches Angebot subsidiär zu den Ethikkomitees in den einzelnen Häusern sein.
Das Interview führte Dagmar Peters.