Ethikratchef appelliert an Weltgemeinschaft

"Endlich über Genforschung diskutieren"

Waren bis vor kurzem Veränderungen an der menschlichen Keimbahn noch von globaler Empörung begleitet, so hat sich dies nach Versuchen mit der Gen-Schere "CRISPR/Cas" verändert. Den deutschen Ethikratchef ärgert dieses Verhalten.

Einzigartig oder nicht?: Unsere DNA / © Angelika Warmuth (dpa)
Einzigartig oder nicht?: Unsere DNA / © Angelika Warmuth ( dpa )

Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, fordert deshalb eine stärkere gesellschaftliche Kontrolle der Genforschung. Derzeit seien Wissenschaftler weltweit dabei, Fakten bei der Veränderung der genetischen Ausstattung des Menschen zu schaffen, ohne dass dies auf gesellschaftlicher oder politischer Ebene diskutiert werde, kritisierte Dabrock in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung".

"Angesichts der enormen Komplexität der Evolution müssen wir doch größte Vorsicht walten lassen, wenn wir uns selbst als Evolutionsbeschleuniger aufspielen wollen."

Gen-Schere "CRISPR/Cas"

Der evangelische Theologe äußerte sich zu Anfang August veröffentlichten Ergebnissen eines internationalen Forscherteams, das an menschlichen Embryonen die sogenannte Gen-Schere "CRISPR/Cas" angewendet und damit die Keimbahn verändert hatte. Durch Eingriffe in die menschliche Keimbahn wird nicht nur die genetische Ausstattung eines Individuums, sondern aller folgenden Generationen verändert.

Verändertes Meinungsklima

Nach Einschätzung des Ethikratsvorsitzenden hat sich das Meinungsklima gegenüber solchen einschneidenden Versuchen stark verändert. Während es vor zwei Jahren, als chinesische Wissenschaftler erstmals solche Versuche an menschlichen Embryonen unternommen hätten, noch weltweite Empörung gegeben habe, scheine die Weltgemeinschaft "heute nur noch um den Zeitpunkt zu streiten, an dem der Mensch als genetisch veränderter Organismus (GVO) Wirklichkeit werden soll", so Dabrock.

Vor allem die Politik habe zu den jüngsten Versuchen geschwiegen. Zwar verbiete in Deutschland das Embryonenschutzgesetz entsprechende Forschung, aber "wenn es um den Menschen in seiner biologischen Ausstattung geht, dann reicht nicht der deutsche Inselblick". Vielmehr müsse die Weltgesellschaft in Form der Vereinten Nationen reagieren, Risiken und moralische Aspekte abwägen und einschränkende Regeln festlegen.

Grenze für Keimbahnveränderungen

Dabrock verwies darauf, dass Experimente an der menschlichen Keimbahn für die beteiligten Menschen und ihre Nachkommen erhebliche gesundheitliche Gefahren bedeuten, in die sie nicht einwilligen könnten. "Wollen wir solche Therapieversuche wagen, obwohl die krankheitsverhindernden Effekte durch eine Präimplantationsdiagnostik genau so entdeckt werden könnten?" Außerdem müsse diskutiert werden, wo die Grenze für Keimbahnveränderungen liege, wenn eine vermeintliche Perfektionierung des Menschen angestrebt werde.


Ethik-Professor Peter Dabrock  / © Uwe Zucchi (dpa)
Ethik-Professor Peter Dabrock / © Uwe Zucchi ( dpa )
Quelle:
KNA