Im "Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs" 2008 sieht Europaparlaments-Präsident Hans-Gert Pöttering eine besondere Herausforderung. Schon direkt nach seiner Wahl zum Parlamentspräsidenten vor rund einem Jahr hatte er angekündigt, er wolle dieses Thema zum Schwerpunkt seiner bis 2009 dauernden Amtszeit machen.
Für Unmut bei liberalen und linken Abgeordneten sorgte dann prompt auch die nur wenige Wochen später ausgesprochene Einladung an Papst Benedikt XVI., ebenfalls im Europaparlament zu sprechen. Der Papst, so Pöttering, habe auf die Einladung positiv reagiert. Einen Termin gibt es freilich noch nicht, wie Pötterings Sprecherin Katrin Ruhrmann am Freitag in Brüssel berichtete.
Europaparlament folgt Europarat
Mit den Reden religiöser Führer vor den Abgeordneten folgt das Europaparlament einem Beispiel des Europarates. Auch vor dessen Parlamentarischer Versammlung waren im vergangenen Jahr mehrere religiöse Führer aufgetreten, etwa ein hochrangiger Vertreter des Islam sowie das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, und der russisch-orthodoxe Patriarch Alexij II. Auch der Präsident der Europarats-Parlamentarier Rene van der Linden hatte Papst Benedikt XVI. zu einer Ansprache eingeladen; auch dafür gibt es noch keinen Termin.
Das Europaparlament will es nach den Worten Pötterings aber nicht bei Vorträgen wichtiger Würdenträger belassen, die ohnehin nach der Tradition des Hauses weder diskutiert werden noch andere direkte Folgen haben. Bei der offiziellen Auftaktveranstaltung des interkulturellen Dialog-Jahres in Ljubljana kündigte der Parlamentspräsident Wochen der arabischen und afrikanischen Kultur im Europaparlament an. Geplant sei zudem, junge Menschen aus arabischen Ländern und Israel mit europäischen Jugendlichen zu einer großen Begegnung in Brüssel oder Straßburg zusammenzubringen. Klar sei zudem, dass sich das Europaparlament abermals am jährlichen EU-Gipfeltreffen mit den Religionsführern im Mai in Brüssel beteiligen werde.
Auch die Sternsinger kommen
Zunächst aber wendet sich Scheich Hassoun an die Europaabgeordneten. Er ist in Deutschland kein Unbekannter: So gehört er zu jenen islamischen Gelehrten, die Benedikt XVI. nach dessen sogenanntem Regensburger Vortrag vom September 2006 einen Dialog-Brief schickten. Im Herbst 2007 besuchte Hassoun die Bundesrepublik und traf unter anderem mit katholischen und evangelischen Bischöfen zusammen. Auch damals lehnte der islamische Würdenträger in Interviews strikt Gewalt im Namen des Islam ab, verurteilte Ehrenmorde und sprach sich gegen einen Zwang zum Kopftuch aus: Positionen, die es ihm erleichtern dürften, auch bei den Europaabgeordneten auf offene Ohren zu stoßen.
Religiöse Vielfalt zeigt das Haus am Dienstag ohnehin: Dann werden auch die Sternsinger im Straßburger Parlamentssitz empfangen. Der Christdemokrat Pöttering ist der erste Europaparlaments-Präsident, der die deutsche Sternsingeraktion auch auf die europäische Bühne bittet. Empfänge durch Bundeskanzler und Bundespräsidenten in Bonn und Berlin gehören schon seit Jahrzehnten zur festen Tradition.
Von Christoph Lennert (KNA)
Europaparlament will zu interkulturellem Dialog beitragen - auch Papstbesuch geplant
Auftakt mit Großmufti
Eine Rede des syrischen Großmuftis, Scheich Ahmad Badr el Din Hassoun, am Dienstag im Europaparlament in Straßburg macht den Auftakt. Die Abgeordneten wollen in diesem Jahr einen Beitrag zum Dialog der Kulturen und der Religionen leisten. Weitere politische und religiöse Führer sollen folgen.
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