Der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Friedrich Kramer (Magdeburg), kritisiert das vom Deutschen Bundestag beschlossenen Rüstungsprogramms für die Bundeswehr: "Allein auf militärische Ausgaben zu setzen, wird der Komplexität der Sicherheitsprobleme vom Klimawandel über globale Gesundheitsprobleme bis hin zur Bekämpfung von Not, Armut und Hunger in den Ländern des globalen Südens nicht gerecht." Erforderlich sei ein deutlicher Vorrang für ziviles Engagement und gewaltfreie Konfliktlösung, erklärte der EKD-Friedensbeauftragte am Freitag in Bonn.
"Hilflosigkeit gegenüber Krisen wird sich verstärken"
So verständlich die Forderung nach einer angemessenen Ausstattung der Bundeswehr angesichts der schrecklichen Bilder aus der Ukraine sei, dürfe dies nicht zu Vernachlässigungen im Bereich der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit und der humanitären Hilfen führen, mahnte Kramer. "Aufrüsten klingt zwar erst einmal logisch und verspricht eine Scheinsicherheit, aber wenn jetzt über Jahre Ressourcen gebunden werden, die nicht nachhaltig auch in Krisenregionen helfen, wird sich die Hilflosigkeit gegenüber den Krisen verstärken, es wird zu neuen Konflikten kommen und die Sicherheit für Deutschland und Europa wird nachhaltig gefährdet werden", befürchtet der Landesbischof.
Er kritisiert, das jetzt vom Deutschen Bundestag beschlossene Sonderprogramm mit 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sei ohne eine breite gesellschaftliche Debatte verabschiedet worden. "Bis heute ist nicht klar, warum die Bundeswehr mit dem derzeitigen Verteidigungsetat, der bereits in den vergangenen Jahren immer wieder angestiegen ist, nicht in der Lage sein soll, vernünftig für eine Landesverteidigung ausgerüstet zu sein."
Käßmann: Pazifisten sind nicht "fünfte Kolonne Putins"
Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, hat unterdessen ihre Kritik an den Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine bekräftigt. "Wer jetzt gegen schwere Waffen ist, wird als 'Lumpen-Pazifist' oder 'fünfte Kolonne Putins' diffamiert. Das kann ich nicht hinnehmen", sagte Käßmann der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Samstag). "Es ist im Moment sehr schwer, Pazifistin zu bleiben. Ich tue es aber. Aus Überzeugung."
Auch gegen Ende des Vietnamkrieges sei der Reflex gewesen, man müsse mit Waffen eingreifen. "Ich wäre auch als Politiker mit solchen Aussagen ein bisschen zurückhaltender", sagte Käßmann. Umfragen zufolge seien 45 Prozent der Menschen in Deutschland für Waffenlieferungen, 45 Prozent dagegen. "Auch bei den Gottesdiensten spüre ich, dass es da eine große Irritation gibt."
Käßmann wünscht sich nach eigenen Angaben stattdessen mehr Diplomatie, Verhandlungen und Druck auf einen Waffenstillstand. "Andere setzen dagegen darauf, durch mehr Waffen und einen - mir geht es kaum über die Lippen - 'höheren Blutzoll', um die Verhandlungsposition zu verbessern." Sie habe den Appell gegen das Rüstungspaket der Bundesregierung ganz bewusst unterschrieben: "Ich habe sieben Enkelkinder. Und ich denke, für die Zukunft ist nicht mehr Rüstung die Antwort, sondern Abrüstung, mehr Klimaschutz, mehr Investitionen in Entwicklung."