Der Mainzer Bischof Kohlgraf, der auch Präsident der deutschen Sektion der Friedensbewegung Pax Christi ist, äußerte sich in einem Interview der Kirchenzeitungen "Glaube und Leben", "Der Sonntag" und "Bonifatiusbote" (Ausgaben vom 29. Mai).
Pax Christi weise darauf hin, dass bereits jedes Jahr 50 Milliarden Euro in die Bundeswehr flössen. "Das ist ja nicht nichts. Und diese 100 Milliarden werden nicht im Keller gedruckt. Das heißt, sie werden irgendwo fehlen." Es sei zu fragen, ob die Friedens- und Menschenrechtsarbeit und die Armen in der Welt, auch in Deutschland, unter dieser Entscheidung zu leiden hätten.
Kohlgraf spricht von Dilemma
Kohlgraf räumte ein, man müsse über die Rolle des Pazifismus angesichts des Krieges in der Ukraine neu nachdenken. Er sprach von einer "Dilemma-Situation". Über die Absichten des russischen Präsidenten Wladimir Putin habe man vor dem Angriff auf die Ukraine Bescheid wissen können. "Vielleicht haben wir uns belogen, über viele Jahre", sagte Kohlgraf. Putin sehe Verhandlungsbereitschaft nicht als Zeichen von Stärke, sondern deute "Vorschläge für Kompromisse eher als Zeichen von Schwäche".
Kohlgraf erinnerte zugleich an biblische Texte über Frieden, die in kriegerischen Zeiten entstanden seien, und die "visionäre" biblische Friedensbotschaft: Auch der Feind bleibe als Feind Mensch, so Kohlgraf. "Es lohnt, sich auch weiterhin für das Gute einzusetzen. Nicht nur für die Abwehr des Bösen", betonte der Mainzer Bischof. "Wenn ich Hoffnung auf Frieden, auf Versöhnung ganz aufgebe, dann ist die Welt die Hölle."