DOMRADIO.DE: Um 11.30 Uhr kann man zu einem kurzen Kennenlerngespräch kommen und um 12.00 Uhr wird dann getauft. Es ist ein ganz schön straffes Programm. Wieso bieten Sie dieses ungewöhnliche Format der Taufe auf die Schnelle an?
Corinna Zisselsberger (Pfarrerin in Berlin): In der evangelischen Kirche feiern wir in diesem Jahr das Jahr der Taufe. Dazu haben wir uns überlegt, wie wir als Sankt Marienkirche mitten in Berlin mit einer "City-kirchlichen" Ausrichtung dieses Jahr der Taufe begehen können. Das Format der "Pop-up-Taufe" ist für unsere Kirchengemeinde, für unseren Standort und für unsere theologische Ausrichtung genau richtig.
DOMRADIO.DE: Vielleicht müssen wir vorher einmal kurz erklären, wie Erwachsenentaufen üblicherweise in der evangelischen Kirche ablaufen.
Zisselsberger: Es gibt da nicht den absoluten Regelfall. So wie ich es im Vikariat gelernt habe und wie es auch die meisten Kolleginnen und Kollegen praktizieren, nehmen Erwachsene Kontakt auf. Dann sprechen wir miteinander und treffen uns dann. Manche Täuflinge belegen einen Glaubenskurs, sodass es mehrere Leute sind, die regelmäßig über Glauben sprechen.
Im Vikariat zum Beispiel hat meine Mentorin das so gemacht, dass sie sich immer individuell mit den Menschen getroffen hat. Das habe ich dann auch übernommen, also drei bis vier Gespräche geführt und dann die Taufe vollzogen.
DOMRADIO.DE: In diesem Fall dauert das Kennenlernen mehr als eine halbe Stunde. Auf Ihrer Webseite schreiben Sie, dass es spontane Taufen ohne Voraussetzungen gibt. Wird es dem Sakrament denn angemessen, dass das so schnell und nahezu nebenbei geschieht?
Zisselsberger: Unserer Meinung nach ist das sehr angemessen, denn auch das Vorbild der Bibel zeigt uns, dass Johannes der Täufer am Jordan genauso gehandelt hat. Jesus selber hat sich von Johannes taufen lassen. Aus moderner Sicht könnte man sagen, war das im Prinzip auch eine "Pop-up-Taufe". Die Menschen sind dort am Jordan "aufgepoppt", Johannes hat sie untergetaucht und dann war die Taufe auch vorbei.
Auch Johannes der Täufer hat keine langen Gespräche vorher geführt oder keinen Glaubenskurs angeboten, sondern es ging um dieses Erlebnis und den Ruf von Gott. Menschen haben neues Leben, eine Veränderung, eine Umkehr gesucht. Johannes hat sie getauft, ganz spontan, ohne Voraussetzung und ohne Glaubenskurs.
DOMRADIO.DE: Sie haben das Angebot seit Januar. Welche Erfahrungen haben Sie denn bisher gemacht? Gab es Menschen, die das schon angenommen haben?
Zisselsberger: Ja, die gab es. Im Januar kam niemand, das war auch kein Problem, denn wir haben das Gebet wie folgt ausgerichtet: Wir stehen immer rund ums Taufbecken, sodass wir auch eine Tauferinnerung feiern können, wenn niemand sich taufen lässt. Auch das ist total schön.
Letzte Woche an Aschermittwoch habe ich drei Frauen getauft. Zwei von ihnen hatten sich vorher telefonisch gemeldet und eine kam spontan dazu. Das war wahnsinnig berührend. Christus ist mir in diesen Frauen an diesem Tag begegnet, weil sie die Taufe so ernsthaft und überlegt angegangen sind. Einige denken vielleicht, dass da Menschen hinkommen, die nicht ganz bei Trost sind oder die sich morgens überlegen "Ich lasse mich jetzt mittags taufen". Meiner Erfahrung nach ist das nicht so.
Bei diesen drei Frauen war es so, dass sie es sich seit Jahren und Jahrzehnten überlegt hatten und sich die Taufe gewünscht haben. Ihnen hat aber genau diese niedrigschwellige Form gefehlt. Sie wollten eben keinen Glaubenskurs und sie wollten nicht am Sonntagsgottesdienst vor der gesamten Gemeinde getauft werden, sondern in dieser etwas kleineren, unkomplizierteren Form am Mittag.
DOMRADIO.DE: Haben die Täuflinge denn auch einen Taufspruch und gibt es Taufpaten oder eine Taufkerze für diese Menschen?
Zisselsberger: Natürlich, das gibt es alles. Die Frauen, mit denen ich telefonierte, habe ich gefragt, ob sie einen Spruch haben und sie hatten auch ein bisschen Zeit zu überlegen. Beide hatten auch einen Spruch mitgebracht. Ansonsten bereite ich Taufsprüche vor.
Die dritte Frau hat sich einen rausgesucht und wir haben alle darüber gesprochen, warum sie sich für diesen Spruch entschieden haben und was er ihnen bedeutet. Für das eigene pastorale Handeln ist es natürlich sehr sportlich, Menschen spontan kennenzulernen und zu erfahren, warum sie sich taufen lassen wollen.
Ich finde, unser Konzept funktioniert. Ich hatte ganz viel Gottvertrauen und es ist aufgegangen.
Das Interview führte Michelle Olion.