Evangelischer Pfarrer feiert CSD-Gottesdienst in Köln

"Vielfalt nicht als Bedrohung sehen"

Am Christopher-Street-Day zieht die Parade auch durch Köln. Hunderttausende Zuschauer setzen ein Zeichen für die Rechte queerer Menschen. Die evangelische AntoniterCityKirche feiert einen Gottesdienst, davon berichtet Markus Herzberg.

Autor/in:
Hilde Regeniter
Die evangelische AntoniterCityKirche feiert traditionell einen Gottesdienst am Christopher-Street-Day, bei dem jeder willkommen ist. / © AntoniterCityKirche
Die evangelische AntoniterCityKirche feiert traditionell einen Gottesdienst am Christopher-Street-Day, bei dem jeder willkommen ist. / © AntoniterCityKirche

DOMRADIO.DE: Sie feiern in Ihrer evangelischen AntoniterCityKirche einen CSD-Gottesdienst. Sie haben gesagt, dass dieser Tag fast so ein Höhepunkt im Kirchenjahr sei wie Heiligabend. Warum ist das so? 

Pfarrer Markus Herzberg / © AntoniterCityKirche
Pfarrer Markus Herzberg / © AntoniterCityKirche

Markus Herzberg (Pfarrer der Kölner AntoniterCityKirche): Ich sage immer, dass es Weihnachten im Sommer ist. Weil es voller ist als an Heiligabend, was ich ganz toll finde. Und weil eine unglaublich lebensbejahende Stimmung herrscht. Es ist so rührend, wie viele verschiedene Menschen kommen. Viele Menschen dort haben ja auch eine Geschichte mit der Kirche, die leider nicht immer schön war. Es sind viele dabei, die Ausgrenzung und Diskriminierung durch die Kirche erfahren haben. Bei so einem Gottesdienst geben sie uns wieder eine Chance. Jedes Jahr kommen Menschen auf mich zu, die sagen, dass es das erste Mal war, das jemand von der Kirche sagte: "Du bist von Gott geliebt, genauso wie du bist." Und das ist einfach schön.

DOMRADIO.DE: Das ist eine große Chance für Sie als Kirche. Was sagt man dann? Was war der Kern Ihrer Predigt?

Markus Herzberg

"Weil du dich geliebt fühlt, darfst du lieben wie du willst."

Herzberg: Der Kern der Bibel ist die Liebe. Und das macht es einem einfach, an so einem Tag zu sprechen. Gott ist die Liebe und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott. Und Gott bleibt in ihm oder in ihr. 

Das ist die Basis der Verkündigung, den Menschen diesen Zuspruch zu geben. Ich finde es wichtig, den Menschen das zu sagen und sie in ihrer Selbstakzeptanz zu bestärken. Weil du dich geliebt fühlt, darfst du lieben wie du willst. Das ist für mich ein wichtiges Thema, Empowerment zu vermitteln und sie darin zu bestärken, dass sie sein dürfen wie sie wollen und von Jesu Christi willkommen geheißen werden in der Kirche.

DOMRADIO.DE: War das ein ökumenischer Gottesdienst, an dem auch katholische Christen beteiligt waren? 

Herzberg: Es ist immer eine evangelische Messe, aber es sind immer alle eingeladen. Deswegen heißt es auch immer "in ökumenischer Gastfreundschaft". Der altkatholische Kollege Jürgen Wenge ist seit vielen Jahren dabei. Es ist immer ganz breit aufgestellt und alle, die mitmachen wollen, dürfen mitmachen und finden das auch ganz wichtig. Ich finde es auch wichtig, die katholischen Geschwister zu unterstützen und zu zeigen, dass es viele gibt, die sich für eine andere Kirche einsetzen.

DOMRADIO.DE: Sie haben gestern nicht nur zusammen Gottesdienst, sondern danach auch noch ordentlich weiter gefeiert. Wie genau? 

Herzberg: Wir haben gestern einen kleinen Geburtstag gefeiert. Seit 25 Jahren feiern wir jetzt schon diesen Gottesdienst zum Christopher Street Day in der AntoniterCityKirche. Wir haben mit Karl, einem engagierten jungen Mann, ein Pop Up auf dem Kirchplatz organisiert. Es gab eine kleine Bar, wo man was trinken konnte. Es gab ein kleines Zelt, wo Karl als DJ Housemusik aufgelegt hat. Er hat ein kleines Modelabel gegründet, das heißt "Love ist schön" und das war in diesem Motto gehalten. Das haben wir nach dem Gottesdienst auf dem Kirchplatz noch zelebriert. 

DOMRADIO.DE: Da kommen Sie ja auch mit CSD-Teilnehmenden ins Gespräch. Was sagen die? Warum bedeutet Ihnen der Segen der Kirche etwas? 

Markus Herzberg

"Dann wird die Kirche zum Safe-Space, in dem sie sich sicher fühlen können." 

Herzberg: Ganz viele Suchende sind dabei und ganz viele haben schlechte Erfahrungen in der Kirche gemacht. Es bleibt trotzdem eine Sehnsucht. Sie stellen sich die gleichen Fragen wie alle anderen auch. Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Welchen Sinn hat mein Leben? Die freuen sich wahnsinnig, wenn eine Kirche sich dann so offen zeigt und ihnen vermittelt, dass sie dort eine Heimat haben und sich nicht exotisch fühlen müssen. Dann wird die Kirche zum "Safe Space", in dem sie sich sicher fühlen können. 

DOMRADIO.DE: Sie machen das schon lange und haben viele Erfahrungen gesammelt. Ist es noch etwas Besonderes, so einen CSD-Gottesdienst zu feiern? 

Herzberg: Es ist etwas sehr besonderes. Mir macht es immer eine große Freude und mich rührt es auch jedes Mal. Seitdem die Regenbogenfahne an der Kirche hängt, höre ich alles Mögliche an Unmöglichkeiten und Abstoßendes. Gestern nach dem Gottesdienst verfluchte mich ein Mann. Das bestärkt mich nochmal darin, diese Gottesdienste zu feiern. Da sehen wir, wie dringend wir diese Solidarität weiterhin brauchen. 

Ralf Schumacher hat ja auch gezeigt, dass es eben längst noch nicht normal ist, schwul zu sein. Sonst wäre es nicht so eine Schlagzeile geworden. Eigentlich dürfte es keinen interessieren, wenn ein 49-Jähriger Mann sagt, dass er schwul ist. 

DOMRADIO.DE: Beteiligen Sie sich von der Kirche auch an der CSD Parade?

Markus Herzberg

"Dieses Jahr beteiligt sich die evangelische Kirche im Rheinland als Landeskirche daran."

Herzberg: Ja und es gibt sogar ein Novum in diesem Jahr. Letztes Jahr ist schon eine Gruppe evangelischer Menschen mitgegangen. Dieses Jahr beteiligt sich die evangelische Kirche im Rheinland als Landeskirche daran und hat einen eigenen Wagen und eine eigene Fußgruppe, die, glaube ich, wahnsinnig groß sein wird. 

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich als Citykirchenpfarrer von Köln, wo das Thema "Homosexualität" auch traditionell eine große Rolle spielt? Was wünschen Sie sich für queere und für homosexuelle Menschen in der Kirche und in der Gesellschaft? 

Herzberg: Ich werbe immer schon für eine gelebte Normalität. Ich mag das Wort "Toleranz" nicht mehr, weil es von tolerare kommt und heißt "etwas zu ertragen" oder "auszuhalten". Ich möchte nicht, dass jemand aushält, dass es mich gibt oder dass mich jemand erträgt, sondern dass es eine breite Akzeptanz in der Gesellschaft gibt. Wenn andere Menschen etwas an mir abstößt, dann müssten sie sich selbst fragen, was sie so tangiert. Da ist ja bei denen etwas nicht richtig. Da wünsch ich mir, dass wir Vielfalt nicht als Bedrohung sehen, sondern als ein Geschenk Gottes. 

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Christopher Street Day

Im Sommer 1969 protestierten Homosexuelle in der New Yorker Christopher Street gegen ihre gesellschaftliche Ausgrenzung. Die Aufstände, die zum Teil in gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten gipfelten, waren Namensgeber für den weltweit gefeierten Christopher Street Day (CSD).

CSD in Köln / © Caroline Seidel (dpa)
CSD in Köln / © Caroline Seidel ( dpa )
Quelle:
DR