Sie wollen anecken mit den Forderungen an ihre Kirche: Pascal Schockert nimmt gemeinsam mit über 130 jungen Katholiken am Christopher Street Day (CSD) in Köln teil. "Es soll ja auch provozieren", sagt Schockert mit Blick auf die Sprüche, die auf T-Shirts und Plakaten geschrieben stehen.
Das Mitglied der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg war schon öfter Teil der Queerdemonstration. Zum dritten Mal schließen sich die verschiedenen katholischen Jugendverbände im Erzbistum Köln zu einer großen Gruppe zusammen, was mancher Kirchgänger gar nicht gut findet.
"Für eine Kirche ohne Angst"
Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) hat für die Parade einen großen Lastwagen und eine Fußgruppe angemeldet. Wie viele junge Menschen am Sonntag mitlaufen werden, spiele dabei keine Rolle, so Schockert. Es hätten sich 136 Personen angemeldet, "die Fußgruppe ist aber offen für alle".
Mit dabei ist auch Junia Sophie Hoogeveen. Seit Anfang 2023 ist sie beim Verein OutInChurch aktiv, der sich für die Rechte sexueller und geschlechtlicher Minderheiten in der Kirche stark macht. Sie freut sich, dass auf einem Banner am LKW auch der Leitsatz ihrer Initiative "Für eine Kirche ohne Angst" zu lesen sein wird. Ihr eigenes Plakat ziert der Satz "Mein G*tt diskriminiert nicht, meine Kirche schon". Der Stern im Wort "Gott" soll dabei deutlich machen, dass Gott nicht nur männlich ist.
Kein Verständnis für Intoleranz
An "Cologne Pride", dem zweiwöchigen Rahmenprogramm des CSD, nehmen erstmals auch katholische Kirchengemeinden aus Köln teil. Das Stadtdekanat plant einen Gesprächsabend unter anderem mit der Travestiekünstlerin Julie Voyage. Am Freitagabend singt Voyage gemeinsam mit dem Jugendchor Sankt Stephan auf der Bühne auf dem Alter Markt. Dagegen gibt es Protest aus der umstrittenen konservativen Plattform "citizengo". In einer Petition fordern die Unterzeichnenden Kardinal Woelki auf, die Beteiligung am "Cologne Pride" zu unterbinden, weil dieser dem Glauben radikal zuwiderlaufe.
"Ich habe sehr wenig Verständnis für so eine Intoleranz", sagt Meike Müller zu der Petition. Müller engagiert sich seit einigen Jahren in der Katholischen jungen Gemeinde (KjG) im Referat für Kinder- und Jugendpolitik, Diversität und Beteiligung. Es sei nicht verständlich, wie die Unterstützer des Aufrufs sich in ihrem Glauben bedroht fühlen, wenn die Kirche sich für die Rechte queerer Menschen einsetze. Stadtdekan Robert Kleine hatte zuletzt beschwichtigend angekündigt, auf dem Podium etwa die katholische Lehre von zwei Geschlechtern zu betonen. Damit sei die Veranstaltung "keine wirkliche Unterstützung", kritisiert Schockert.
Anfeindungen gegen Verbände
Dass es Widerstand gegen die Teilnahme an der Parade gebe, wundert beide nicht. In der Vergangenheit seien die Jugendverbände bereits angefeindet worden, jedoch nahezu ausschließlich online. "Ihr verratet die Kirche" oder "Lies doch mal die Bibel" seien Aussagen in Hasskommentaren gewesen. Bei der Parade selbst bekämen die Teilnehmenden aus den Jugendverbänden eher Zuspruch als Kritik. "Gut, dass queere Menschen Teil der Kirche sind und für Veränderung eintreten", lautet der Tenor der Rückmeldungen.
"Offene Form von Kirche"
Schockert macht sich keine Illusionen, dass die Forderungen der Jugendverbände innerhalb der katholischen Kirche zu kurzfristigen Änderungen führten. Ein wichtiges Ziel gebe es dennoch: "Für Sichtbarkeit sorgen." Denn, so pflichtet Müller bei: "Jugendverbandsarbeit zeigt, dass es auch anders sein kann."
Die Vorbereitungen für den CSD laufen auf Hochtouren. T-Shirts werden bunt besprüht und mit Forderungen wie "Faith Spaces must be Safe Spaces" (Glaubensorte müssen sichere Orte sein) versehen. Schockert weist schmunzelnd darauf hin, dass die Oberteile auch gekürzt werden dürfen. Die Brust sollte allerdings grundsätzlich bedeckt bleiben.
Das sei für die Außenwirkung der Jugendverbände wichtig. Alle gemeinsam möchten beim laut Veranstalter größten Queer-Event in Deutschland "eine offene Form von Kirche" präsentieren und für diese demonstrieren.