DOMRADIO.DE: Als Präsident der deutschen Laien waren Sie 2016 in Rom und haben mit verschiedenen Vertretern der Dikasterien gesprochen. Wie kommen solche Treffen überhaupt zustande?
Prof. Dr. Thomas Sternberg (ehemaliger Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, ZdK, 2015 bis 2021): Die werden abgestimmt, natürlich auch mit der deutschen Botschaft am Heiligen Stuhl, mit der Nuntiatur, mit allen möglichen Stellen. Und diese Gespräche sind auch sehr üblich.
Denn immer wieder sind auch meine Vorgängerinnen und Vorgänger in Rom gewesen. Ich erinnere mich noch gut daran, dass mir mein Vorgänger Alois Glück sagte: "Denk an die regelmäßigen Konsultationen in Rom." Das ist auch etwas völlig Normales, weil wir selbstverständlich keine Nationalkirche sind, sondern uns als Weltkirche hier in Deutschland verstehen.
DOMRADIO.DE: Und wie haben Sie dann damals, als Sie 2016 in Rom waren, die Atmosphäre erlebt?
Sternberg: Als durchaus angenehm. Wir hatten immer gute Gespräche, auch mit den Leitern der Dikasterien. Aber es sind in Rom noch Einige, die glauben, an feudalen Strukturen festhalten zu müssen und Laien nicht richtig zur Kenntnis zu nehmen brauchen. Das tut ja auch noch das Kirchenrecht, das da völlig veraltet ist. Aber nicht zuletzt die Weltsynode zeigt, dass diese Zeiten wohl vorüber sind, den sie spiegeln längst nicht mehr z. B. die Beteiligung der Räte hier.
Außerdem tut man sich, glaube ich, auch schwer damit, dass es bei uns in Deutschland organisierte Gläubige gibt, die als Organisation mit repräsentativem Anspruch auftreten. Das gibt es in anderen Ländern so nicht. Das hat in Deutschland seine spezifischen Bedingungen und Ursachen seit der Zeit der Freiheitskriege über die deutsche Reichsgründung bis ins 21. Jahrhundert. Dass dieses Zentralkomitee der deutschen Katholiken als selbstständige Organisation von Gläubigen in diesem Land schon lange existiert, ist eine Besonderheit in der römisch-katholischen Kirche.
DOMRADIO.DE: Hatten Sie damals bei Ihrem Besuch den Eindruck, dass Sie wirklich auf Augenhöhe mit den Verantwortlichen sprechen konnten? Fühlten Sie sich ernst genommen?
Sternberg: Ja durchaus. Allerdings gab es einen Misston, der sicherlich auch jetzt die letzten Jahre etwas Probleme gemacht hat. Denn als der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz als einer der beiden Präsidenten der Synodalen Wegs gebeten wurde, in Rom Konsultationen zu führen, hat er damals gesagt: Selbstverständlich treten wir aber mit beiden Verantwortlichen, mit dem ganzen Präsidium, also auch dem Präsidenten und der Vizepräsidentin der Laien auf.
Das hat Rom damals abgelehnt. Das ist ein Affront gewesen und bleibt es nach wie vor. Das hat einen Misston in ein sonst recht gutes Verhältnis gebracht. Mich hat das damals nicht überrascht, weil es immer wieder in Rom Leute gibt, die glauben, unterhalb eines Ortsbischofs könne man überhaupt nicht mit Kirchenleuten verhandeln und sprechen. Aber es geht natürlich nicht, dass man über den Synodalen Weg, der ein Gemeinschaftsprojekt von Bischofskonferenz und ZdK ist, nur mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz und nicht den Laienvertretern spricht.
DOMRADIO.DE: Und doch ist es ja so, dass die deutschen Bischöfe durchaus öfters in Rom sind. Warum "reicht" es nicht, wenn die Bischöfe mit den Vertretern im Vatikan sprechen? Warum ist denn auch die Stimme der Nichtgeweihten wichtig?
Sternberg: Ich denke, wir sind über die Zeiten wirklich hinaus, dass nur noch eine einzige Person ein Bistum repräsentieren könnte. Da könnte man ja ohne Frage jetzt auch in Deutschland Bistümer nennen, wo man den Eindruck hat, zwischen dem Bischof und den Gläubigen gibt es solch starke Differenzen, dass die irgendwo zumindest erwähnt werden müssen, dass sie aufs Tapet kommen müssen, wenn man nicht ein verzerrtes Bild erhalten will.
DOMRADIO.DE: Und wie offen oder auch versteckt spricht man dann bei solchen Treffen die inhaltlichen Streitpunkte an? Wie war das bei Ihnen?
Sternberg: Ich erinnere mich zum Beispiel gut daran, dass wir ein offenes Gespräch mit dem Leiter des Dikasteriums für Glaubensfragen geführt haben. Da ging es um die Frage der Diakoninnen-Weihe. Da hat er uns klar gesagt, dass der Papst so oder so entscheiden kann, denn historisch sei eine solche Weihe nie verboten worden. Das könne man so oder so machen. Obwohl wir damals so offen über diese Fragen sprachen, ist es allerdings leider Gottes bis heute ohne eine Entscheidung geblieben und das so unproblematische Thema immer wieder neu auf die lange Bank geschoben worden.
DOMRADIO.DE: Jetzt ist es ja so, dass die Kritiker den Deutschen gerne mal vorwerfen, ihr wolltet eine neue Reformation machen. Das ist ja nun wirklich nicht das Ziel der Deutschen, weder der Bischöfe noch der Laien. Haben Sie denn die Hoffnung, dass die Gräben in Zukunft weniger tief werden, vielleicht auch mit Blick darauf, dass die Weltsynode vor ihrem Abschluss im Herbst steht?
Sternberg: Mich stimmen vor allen Dingen die formalen Fragen der Weltsynode verhalten hoffnungsvoll. Das ist nämlich durchaus ähnlich, wie bei uns der Gesprächsprozess 2010-2015 gelaufen ist und dann auch der Synodale Weg, dass nämlich Geweihte und Laien, Fachleute und Fachfremde, Frauen und Männer gemeinsam diskutieren. Das ist eine absolute Novität. Das hat es bei der Bischofssynode noch nie gegeben. Da ist also etwas aufgebrochen, das aber die Situation zumindest in Deutschland deutlich spiegelt. Wir haben uns mittlerweile so an Pfarrgemeinderäte und Diözesanräte gewöhnt, dass ein Bischof, der darauf bestehen wollte, dass er ganz alleine entscheidet und bestimmt, fraglos scheitern würde. Außerdem haben wir Deutschen die Situation, dass wir nach staatskirchenrechtlichen Vorgaben in Vermögensdingen in Bistümern als Gläubige, als Laien mitentscheiden, nicht nur mitberaten, anders als es das reaktionäre Kirchenrecht vorsieht.
DOMRADIO.DE: Denken Sie, dass diese Gespräche, die jetzt derzeit laufen, dabei helfen werden, dass das Verhältnis zwischen deutscher Kirche und den Römern insgesamt besser wird?
Sternberg: Ich denke, dass es besser werden wird, es muss auch besser werden. Allerdings bin ich immer sehr zögerlich zu sagen, das ist Rom oder das ist die katholische Kirche in Deutschland. Auch in Rom gibt es natürlich differenzierte Stimmen und auch da ändert sich im Moment etwas. Ich habe den Eindruck, es bricht im Moment eine Sozialgestalt der Kirche in ihrer feudalen Struktur zusammen, die sich über Jahrhunderte aufgebaut hat, die aber so in einer modernen Welt keine Plausibilität mehr findet; eine Welt mit selbstverständlichen Partizipationsprozessen von selbstbewussten Gläubigen, die frei und selbstbestimmte Menschen sind. Da ist Vieles einfach überholt, nicht mehr tragbar. Das merkt man auch in Rom, und da werden sich Änderungen durchsetzen müssen. Alles andere wären vergebliche Nachhutgefechte.
Das Interview führte Mathias Peter.