DOMRADIO.DE: Ist das Pilgern mit Babys und Kleinkindern überhaupt sinnvoll?
Beate Steger (Pilgerexpertin): Ich finde, es ist schon besser, wenn die ein bisschen älter sind. Ich habe mal eine argentinische Familie getroffen, die Kinder dabei hatte, die zehn Monate und zwei Jahre alt waren. Die hatten natürlich unheimlich viel dabei. Die hatten ein Gestell, das sie für den Zweijährigen zum Laufrad umbauen konnten. Das zehn Monate alte Mädchen wurde in einem Rucksack-Gestell getragen. Dazu hatten sie Wägelchen, um die Rucksäcke schieben oder ziehen zu können.
Ein paar Jahre älter wäre vielleicht nicht schlecht, wenn man entspannter unterwegs sein möchte. Ich habe eine Frau getroffen, die mit ihrem Sohn auf dem Camino Ingles unterwegs war, als er gerade elf Jahre alt war. Das war eine entspanntere Geschichte. Für den Kleinen war das eine Art Schnitzeljagd nach den Wegzeichen zu schauen. Der konnte schon ordentlich laufen. Einen Rucksack haben die immer mit dem Rucksacktransport vorausgeschickt. Gerade in Spanien hat man da gute Möglichkeiten. Dann sind sie in ihren Herbergen angekommen und so war diese Pilgerreise ein großer Abenteuerspielplatz für den Jungen.
DOMRADIO.DE: Wenn man mit einem Kind verreist, ist es noch übersichtlich. Hat man aber Kinder verschiedenen Alters, wird es schwierig. Je kleiner sie sind, umso schwerer kommt man selbst zur Ruhe. Kommt da der Pilgeraspekt nicht ein bisschen zu kurz?
Steger: Ja, das denke ich auch. Ich bin noch nicht mit Kindern gepilgert, aber ich habe schon mehrere Pilgerinnen und Pilger getroffen, die mit ihren Kindern unterwegs waren; auch mal eine Großmutter, die auf dem portugiesischen Jakobsweg unterwegs war. Eigentlich war die immer alleine unterwegs, aber als ihre Enkel acht und neun Jahre alt waren, wollten sie unbedingt mit der Oma pilgern gehen. Sie hat sich darauf eingelassen und eine richtig gute Oma-Enkel-Zeit erlebt.
Dann war dieser Pilger Aspekt gar nicht mehr so wichtig. Die sind auch nicht immer gelaufen, weil die im Juli unterwegs waren und es einfach unheimlich heiß gewesen ist. Die wollten zum Jakobstag in Santiago ankommen. Das Überlandbus-System ist sehr gut in Spanien und in Portugal. Dadurch konnten die ihre Etappen immer wieder abkürzen, wenn es vom Himmel zu sehr gebrannt hat.
Die hatten eine richtig gute Zeit. Die drei haben gerade sehr entspannt an der Bushaltestelle gesessen, als ich zu Fuß vorbeigekommen bin. Diese Zeit ist dann auch sehr wichtig. Ich vermute, dass sich gerade die Enkel immer daran erinnern werden, dass sie mit ihrer Oma eine super Zeit hatten.
DOMRADIO.DE: Man kann die Streckenabschnitte natürlich auch anpassen, wenn man mit Kindern pilgert. Gibt es Regionen oder Länder, die besonders dafür geeignet sind?
Steger: Ich würde den spanischen Jakobsweg empfehlen, weil er von der Infrastruktur her wirklich gigantisch gut ausgestattet ist. Nur nicht den Camino Primitivo, diesen ältesten Jakobsweg, der von Oviedo durch die Berge geht und dann irgendwann auf den Camino Frances trifft. Da gibt es sehr lange Etappen und da sind die Busverbindungen vielleicht auch nicht so gut. Aber der portugiesische Jakobsweg ist super. Dieser Camino Inglés, der in Ferrol an der Küste startet, ist auch nur 110 Kilometer lang.
Den hat auch die Frau gemacht, von der ich eben gesprochen habe, die mit ihrem 11-jährigen Sohn unterwegs war. Das soll sehr gut gewesen sein, trotz einiger Höhenmeter. Der Camino Frances ist auch sehr gut, aber der ist in den Sommermonaten natürlich überlaufen. Da kann es dann auch mal schwierig mit einer Herberge werden, so dass man auf eine Pension ausweichen muss.
Die Jakobswege in Deutschland sind auch nicht schlecht. Da sind sehr schöne Wegstrecken dabei. In Frankreich geht das auch, aber da muss man genauer planen, gerade wegen der Unterkünfte. Wenn man bei uns in Deutschland auf dem Land unterwegs ist, das weiß man ja, ist es mit dem öffentlichen Nahverkehr nicht so gut bestellt.
DOMRADIO.DE: Wie lang darf so eine Wegstrecke sein, wenn man zum Beispiel mit einem 11-Jährigen unterwegs ist?
Steger: Die Mutter mit dem 11-Jährigen hat ganz stolz berichtet, dass 20 Kilometer nach einigen Etappen, als sie eingelaufen waren, durchaus drin waren. Sie sagte so schön: "Man darf die Kinder nicht unterschätzen bei den Herausforderungen. Auch sie wachsen an ihnen."
Bei den Pausen muss man sensibel sein. Wenn ein Kind sagt, dass es keine Lust mehr hat oder dass es nicht mehr kann, muss man das ernst nehmen und eine Pause machen, egal wo man gerade ist. Das kann auch mitten im Wald sein.
Wenn man als Erwachsender alleine unterwegs ist kann man auch mal die Zähne zusammenbeißen und noch drei Kilometer auf sich nehmen, bis man einen Kaffee bekommt oder irgendwo einkehren kann. Insgesamt sollten zehn bis 15 Kilometer gut möglich zu sein.
DOMRADIO.DE: Haben Sie etwas davon gehört, ob Kinder einen Unterschied zwischen Wandern und Pilgern machen?
Steeger: Den Kindern ist schon bewusst, was Pilgern bedeutet. Sie nehmen auch die Kirchen wahr und gehen da gerne rein und entdecken vielleicht noch ganz andere Sachen, die wir Erwachsenen eher übersehen. Auch die Kleinigkeiten in der Nature am Wegesrand. Besondere Blumen, Steine, an denen sie sich in dem Moment erfreuen.
Das ist keine besondere Gabe, aber Kinder sind eben viel achtsamer und viel mehr im Moment. Das ist ja auch die Absicht vom Pilgern. Nicht einfach nur an den Dingen vorbeilaufen und das Ziel im Blick zu haben.
Das Interview führte Dagmar Peters.