Der katholische Familienbischof Heiner Koch warnt davor, am sogenannten Abtreibungsparagrafen 218 zu rütteln.
"Die bestehende Regelung hält sowohl die Not und Sorge der Mutter als auch den Schutz des ungeborenen Kindes hoch. Das durch eine Neuregelung zu gefährden, halte ich für sehr problematisch", sagte der Berliner Erzbischof, der in der Deutschen Bischofskonferenz die Familien-Kommission leitet, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Abtreibungen sollen laut Fachleuten grundsätzlich erlaubt werden
Eine von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission will am Montag Empfehlungen vorlegen, ob eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs auch außerhalb des Strafrechts möglich wäre. Wie Medien vorab aus dem Abschlussbericht zitieren, sollen Abtreibungen nach Ansicht der Fachleute künftig in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen grundsätzlich erlaubt werden.
Eine grundsätzliche Rechtswidrigkeit der Abtreibung in der Frühphase der Schwangerschaft sei nicht haltbar, so die Kommission. Ob es tatsächlich zu Änderungen kommt, muss die Bundesregierung entscheiden. Koch hatte sich schon vor Bekanntwerden der ersten Vorabberichte gegenüber KNA geäußert.
Er hoffe, dass die Politik bei dem Thema sehr bedacht vorgehe, betonte der Erzbischof: "Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eindeutig. Es nimmt die Gesellschaft und den Staat in die Pflicht, das ungeborene Leben zu schützen. Insofern muss erstmal der Nachweis geführt werden, wie das ohne Strafrecht in verfassungskonformer Weise sichergestellt werden kann."
"Es ist ein Weg, der unserer pluralen Gesellschaft gerecht wird."
Aus seiner Sicht habe sich der in Paragraf 218 ausgehandelte Kompromiss bewährt, so Koch weiter: "Es ist ein Weg, der unserer pluralen Gesellschaft gerecht wird. Ich würde zwar das Leben lieber noch stärker schützen, aber auch das nur auf dem Weg der Überzeugung".
Er fügte hinzu: "Als Kirche sind wir der Ansicht, dass das ungeborene Leben geschützt werden muss. Ich bin aber auch der festen Überzeugung, dass das nur zusammen mit den Frauen, nach Möglichkeit auch mit dem Partner und nicht gegen sie geht. Dass jede Abtreibung für mich eine Abtreibung zu viel ist, steht dadurch nicht infrage."
Die Kirche sehe durchaus die Not einer ungewollt schwangeren Frau, ergänzte der Bischof: "Deshalb sind wir nie aus der Schwangerschaftsberatung ausgestiegen, auch wenn wir keine Beratungsscheine ausstellen. Im Gegenteil, wir haben unsere Beratung und unsere Hilfsangebote für Schwangere und in Not geratene Familien ausgebaut."
Bisher ist ein Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich rechtswidrig
Bisher gelten für Abtreibungen die in Paragraf 218 des Strafgesetzbuches festgeschriebenen Regeln. Ein Schwangerschaftsabbruch ist demnach grundsätzlich rechtswidrig. Er bleibt jedoch straffrei, wenn er in den ersten zwölf Wochen vorgenommen wird.
Zudem muss die schwangere Frau sich zuvor beraten lassen. Zwischen Beratung und Abbruch müssen mindestens drei Tage liegen. Ausdrücklich nicht rechtswidrig ist eine Abtreibung nach einer Vergewaltigung sowie bei Gefahren für das Leben, die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren.
Im Jahr 2022 ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland um fast zehn Prozent auf 104.000 gestiegen. Auch in den ersten drei Quartalen 2023 meldete das Statistische Bundesamt steigende Zahlen.