Familienbischof Koch zieht Bilanz des Weltfamilientreffens

"Mit Zwangsmaßnahmen ist keinem geholfen"

Das Weltfamilientreffen im Vatikan ist beendet. Fünf Tage berieten rund 2.000 Delegierte aus aller Welt über pastorale Fürsorge gegenüber Familien. Auch der deutsche Familienbischof Heiner Koch nahm teil. Wie fällt sein Fazit aus?

 Familie auf dem Petersplatz
 / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Familie auf dem Petersplatz / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

KNA: Wie haben Sie das diesjährige Weltfamilientreffen im Vatikan erlebt?

Erzbischof Heiner Koch (Erzbischof von Berlin und Vorsitzender der Kommission für Ehe und Familie der Deutschen Bischofskonferenz): Grundsätzlich bin ich wirklich zufrieden mit den Tagen hier. Unsere deutsche Gruppe hat sich bewährt. Wir haben uns intensiv ausgetauscht und das Erlebte reflektiert.

Heiner Koch, Erzbischof von Berlin / © Harald Oppitz (KNA)
Heiner Koch, Erzbischof von Berlin / © Harald Oppitz ( KNA )

Allerdings war es gegenüber den letzten Weltfamilientreffen, die ich erlebt habe, diesmal ein Treffen von Delegierten. Das schränkte die Buntheit und Weite der Teilnehmer ein. Der Raum für Kommunikation war meines Erachtens zu klein, denn das Schönste ist, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Ich persönlich war darum sehr gerne in der Vorhalle, denn dort brodelt es, man spricht und diskutiert offen.

KNA: Haben Sie denn neue Impulse für Deutschland gewinnen können? Vor dem Treffen hatten Sie angekündigt, besonderen Wert auf neue Ansätze zur Vermittlung der Sakramentalität, also der Gegenwart Gottes, in der Ehe legen zu wollen.

Koch: Diskutiert man das Thema bei uns, hat man oft den Eindruck, man spreche über eine Art totes, theologisches Wort. Wenn ich unter Sakramentalität nur den Segen für eine Lebensform sehe, ist das eine starke Verengung und gibt das katholische Verständnis von Sakramentalität nicht wieder. Da geht es um Christusgemeinschaft und kirchliches Lebenszeugnis, um eine Kraftquelle für das Leben als Familie.

Das habe ich hier anders erlebt. Viele Paare aus anderen Ländern und Kulturen strahlten bei dem, was sie mit Sakramentalität meinten: Dass sie Gott wirklich in ihrer Ehe spüren. Auch wenn sie mit ihm ringen, gibt er ihnen Kraft, immer wieder aufzustehen, auch Krisen auszuhalten und zusammenzubleiben.

Wir müssen wieder entdecken, dass die Ehe kein Ideal ist, sondern Realität, die man aus dieser Kraft heraus mutig angehen kann, weil man daran glaubt, dass es funktioniert. Das ist natürlich schwierig zu vermitteln, weil die Glaubenssubstanz bei uns einfach dünner geworden ist. Ich frage mich wirklich, wie man diese Freude daran wieder eröffnen kann.

KNA: Nun hat der Vatikan kurz vor dem Treffen neue Leitlinien zur Eheseelsorge herausgegeben. Ziel soll laut Franziskus eine intensivere Begleitung vor, während und nach der Hochzeit sein. Wie sehen Sie die Situation in Deutschland? Ist da auch noch Luft nach oben?

Koch: Ja, mit Sicherheit. Ich erlebe es leider immer noch, dass die Vorbereitung aus einem Treffen besteht, in der die Liturgie vorbereitet und ein Fragebogen ausgefüllt wird. Das ist zu wenig.

Gerade weil eben das Verständnis für das, was da passiert, oft nicht da ist. Dies kann aber nicht Aufgabe des Seelsorgers allein sein, sondern Ehepaare sollten die Hauptakteure sein. Länger verheiratete Eheleute, die mit angehenden Ehepaaren ihr Glaubens-, ihr Lebenswissen teilen. Aber all das braucht Zeit und Vertrauen und setzt natürlich auch voraus, dass sich das Brautpaar nicht erst zwei Wochen vor der Hochzeit anmeldet.

Zudem muss es auch variabel sein. Heute heiratet man nicht mehr mit Anfang 20. Die Paare haben meist schon ihre Lebens- und Liebesgeschichten, ihre Enttäuschung, ihre Verletzung, ihren Reichtum, den sie mit einbringen. Denen können wir dann nicht erzählen, wie es geht. Zudem darf ein Ausbau auch nicht dazu führen, dass diese Ehevorbereitungskurse mit anschließender Hochzeit als Leistungsbestätigung empfunden werden. Also Ausbau ja, und auch wenn nicht alle mitmachen, wäre ich froh, wenn schon mal angefangen wird.

Wenn es gut ist, wird es sich auch durchsetzen.

KNA: Es gibt auch Paare, die nicht so fest im Glauben verankert sind und die kirchliche Trauung eher unter atmosphärischen Gesichtspunkten betrachten. Glauben Sie, die Kirche kann dort solch eine Vorbereitung einfordern?

 Familie auf dem Petersplatz
 / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Familie auf dem Petersplatz / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Koch: Ich bin sehr der Meinung, dass wir das einfordern können. Zugleich müssen wir aber auch vermitteln. Mit einer Zwangsmaßnahme in Richtung 'Qualifizierung für ein Sakrament' ist keinem geholfen.

Zudem ist auch die Atmosphäre ein hohes Gut. Ich glaube, dass sich das Gefühl, dass da ein Gott ist, bei dem ich geborgen bin, in vielen Gesten der Trauung sehr tief feiern lässt. Eine bewegende Liturgie öffnet vielleicht dann auch das Herz.

KNA: Zurück zum Weltfamilientreffen - kann die katholische Kirche in Deutschland in dieser Hinsicht von anderen lernen?

Koch: Gerade in Ländern, wo die kirchliche Trauung nicht zum guten Brauchtum gehört, sondern eine echte Alternative ist, stehen Ehepaare viel enger zusammen, um sich zu stützen und zu begleiten. Dort ist es selbstverständlich für langjährige Ehepaare, angehende Eheleute vor und auch nach der Hochzeit über einen langen Zeitraum zu begleiten.

Ich bin nicht der Meinung, dass wir nach der Hochzeit einen nächsten Kurs anschließen sollten. Gut wäre es aber, wenn in jeder Pfarrei solche Treffen angeboten würden.

Die Ehe und Familie sind natürlich private Angelegenheiten, existieren aber nicht nur im privaten Raum. Ohne die Unterstützung, das Leben und die Bereicherung durch die Gemeinschaft, etwa in Kirche, Gesellschaft, durch Freunde wird es nicht gehen. Das halte ich für lebensnotwendig. Um durchzuhalten braucht es Unterstützung und Inspiration. Ich kämpfe sehr dafür, dass das wieder in den Blick kommt.

Das Interview führte Severina Bartonitschek.

Quelle:
KNA