DOMRADIO.DE: Warum ist die Förderung von Kindern von Anfang an so wichtig?

Matthias Dantlgraber (Bundesgeschäftsführer Familienbund der Katholiken): Was in der frühen Bildung versäumt wird, kann später nur noch sehr schwer und mit hohem Aufwand nachgeholt werden. Man sieht das bei der Sprache zum Beispiel, Erwachsene lernen viel schwerer als Kinder. Deswegen ist es wichtig, auf den Ressourcen der Kinder aufzubauen.
Kinder sind neugierig, Kinder haben Lust am Lernen. Das muss man erhalten und fördern. Wenn das gelingt, hilft es den Kindern auf dem ganzen weiteren Bildungsweg. Deshalb muss man dieses Thema so früh wie möglich angehen.
DOMRADIO.DE: Stichwort Chancengleichheit: Was hat die mit der frühkindlichen Bildung zu tun?
Dantlgraber: Familien sind nach wie vor die ersten und die zentralen Bildungsorte für Kinder. Aber nicht in allen Familien sind die Voraussetzungen gleich. Natürlich haben die Familien höchst unterschiedlich viel Geld zur Verfügung, es gibt unterschiedliche Bildungshintergründe und nicht überall ist Deutsch die Muttersprache.
Da kann die frühkindliche Bildung ansetzen und versuchen, diesen Ungleichheiten, die eben angelegt sind, entgegenzuwirken. Gerade Bildungsinstitutionen wie Kita und Schule sind wichtig für Kinder, die schwierigere Startbedingungen haben. Für sie und aus sozialen Gründen müsste man hier investieren.
DOMRADIO.DE: Haben Sie den Eindruck, dass den allermeisten Politikerinnen und Politikern die Bedeutung der frühen Bildung mittlerweile klar ist?
Dantlgraber: Aus meiner Sicht gibt es einen sehr großen Unterschied zwischen den Worten und Taten. In den politischen Reden ist die Bedeutung der frühen Bildung über alle politischen Lager hinweg anerkannt und unumstritten. Allen ist klar, dass wir gute frühkindliche Bildung brauchen. Aber der Knackpunkt ist das Handeln, wenn es um Geld geht.
Dann zeigt sich, dass es wesentlich einfacher ist, Milliardenbeträge für Chipfabriken zu erhalten, als für Bildung von Kindern und Jugendlichen. Bei der Bildung für Kinder und Jugendliche ist es schon schwierig, den Status quo zu erhalten. Das hat man in der letzten Legislaturperiode gesehen. Hier wäre es wirklich wichtig, eine Schippe draufzulegen und mehr Geld in die Hand zu nehmen.
DOMRADIO.DE: Was sind Ihre wichtigsten Forderungen an eine künftige Bundesregierung?
Dantlgraber: Einerseits setzen wir als Familienbund daran an, dass Bildung in den Familien geschieht. Das heißt, man muss in erster Linie die Familien unterstützen, damit sie ihrer Rolle als Bildungsort gerecht werden können. Insbesondere arme Familien brauchen finanzielle Unterstützung, damit sie ihren Kindern Bildungsmöglichkeiten und Anregungsmöglichkeiten geben können. Auch Familienbildung sollte die Familien unterstützen.
Bei den Bildungsinstitutionen, beispielsweise bei den Kitas, geht es stark um die Kita-Qualität. Ich denke besonders an den Fachkraft-Kind-Schlüssel, also die Frage, wie viele Fachkräfte zur Verfügung stehen, um sich um die Kinder zu kümmern. Da müsste man gucken, dass man genug Fachkräfte hat und auch sprachliche Bildung ermöglicht. Denn die sprachliche Bildung ist wichtig für den weiteren Bildungsweg. Sie funktioniert nur, wenn man ausreichend in die Fachkräfte und in die Kita-Qualität investiert hat.

DOMRADIO.DE: Das ist natürlich teuer und es steht zu befürchten, dass im Verteilungskampf um begrenzte Finanzmittel die Interessen der Kleinsten und ihrer Familien nicht gebührend beachtet werden. Warum wäre das auch aus wirtschaftlicher Sicht fatal?
Dantlgraber: Das wäre extrem fatal, denn die gute Bildung von heute ist der wirtschaftliche Erfolg von morgen. Jeder Euro, den man in Bildung investiert, ist umso effizienter und wertvoller für die Gesellschaft, je früher man ihn investiert. Wenn man einen Euro in frühe Bildung investiert, dann bringt er mehr, als wenn man später beispielsweise in Erwachsenenbildung oder an den Universitäten investiert.
Wirtschaftlich ist ganz klar, dass das echte Investitionen sind: Das, was man in der frühen Bildung ausgibt, kostet erst einmal, aber später kriegt man ein Vielfaches davon zurück.
Deswegen ist es wirtschaftlich betrachtet eine äußerst kurzfristige Sicht, sich nicht um die frühe Bildung zu kümmern. Ich kann nur an die Bundesregierung appellieren, von diesem 500 Milliarden Infrastrukturpaket einen ganz bedeutenden Teil in die Bildungsinfrastruktur fließen zu lassen.
Das Interview führte Hilde Regeniter.
Information der Redaktion: Der Familienbund der Katholiken engagiert sich gemeinsam mit der Stiftung Kinder forschen dafür, die frühkindliche Bildung zu stärken.