Fastenkalender bis Weihnachten kann Perspektiven verändern

"Für jeden, der nachdenklich ist"

Ein Fastenkalender, der an Sankt Martin beginnt und bis Weihnachten dauert, klingt ungewöhnlich. Brauchtumsexperte Manfred Becker-Huberti erklärt die Idee des Adventsfastenkalenders, der Weihnachten umso mehr genießbar machen könne.

Ein Kreuz auf einem Kalender / © Nature's Charm (shutterstock)
Ein Kreuz auf einem Kalender / © Nature's Charm ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sie haben gemeinsam mit Brigitte Goßmann einen Fastenadventskalender erstellt. Wieso Fasten vor Weihnachten?

Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti / © privat (DR)
Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti / © privat ( DR )

Dr. Manfred Becker-Huberti (Brauchtumsexperte): Der 11.11. ist ein uralter Feiertag, weit vor Sankt Martin schon gewesen. Es ist der Tag, wo die Feldarbeit für die Bauern endete, wo mit einem Fest das Wirtschaftsjahr beschlossen wurde und wo dann der Gedenktag für Sankt Martin mit eingebaut wurde. Das war der Grund dafür, dass im vierten Jahrhundert die Idee aufkam, von Advent bis Weihnachten eine Fastenzeit, eine Vorbereitungszeit, einzurichten. Dies hat gegolten bis 1917. Und dann ist die Forderung nach Fasten in dieser Zeit weggefallen.

Wir haben heute ja das genaue Gegenteil. Wir haben den Advent als eine Fress- und Saufzeit mit Glühwein und ähnlichem mehr vollgepackt. Wir nennen den Advent nicht mehr Advent, sondern Vorweihnachten und ziehen alles weit nach vorne. Und wir dachten uns, dass wir mit so einem Kalender, der die Zeit von Sankt Martin bis Weihnachten erfasst, einmal ein Gegengewicht setzen.

Es soll ein Gegengewicht zu dieser Gegenwart sein, die im Konsum besteht, und darauf hinweisen, dass man auch Fasten statt Prassen kann, dass weniger mehr ist, wenn man es mit Vernunft angeht und mit Klugheit. Und dass man wieder etwas lernt, was unsere Gegenwart verlernt hat, nämlich warten zu können, aktiv warten zu können. Warten ist nicht passiv, sondern wenn ich es mit Bewusstsein tue, kann ich es wirklich gestalten.

DOMRADIO.DE: Der Fastenkalender beginnt an Sankt Martin und geht bis Weihnachten. Wenn ich das überschlage, ist das auch wieder so lang wie die Fastenzeit im Frühjahr, oder?

Advent

Der Advent ist für Christen die Zeit der Vorbereitung auf Weihnachten. Das Wort kommt vom lateinischen "adventus" und bedeutet "Ankunft". Gemeint ist die Ankunft Jesu auf Erden, die Weihnachten gefeiert wird.

Die Adventszeit beginnt am vierten Sonntag vor dem ersten Weihnachtsfeiertag, in diesem Jahr also am 1. Dezember. Sie dauert höchstens 28 Tage, wenn der 27. November der erste Adventssonntag ist. Im kürzesten Fall dauert sie nur 22 Tage, wenn sie erst am 3. Dezember anfängt.

Traditioneller Adventskranz / © Jozef Kubica (KNA)
Traditioneller Adventskranz / © Jozef Kubica ( KNA )

Becker-Huberti: Ja, das sind auch ursprünglich 40 Tage, wobei die Sonntage ausgenommen sind. Es ist die alte Idee, dass die 40 Tage die Vorbereitungszeit widerspiegeln. Ähnlich nämlich diesen 40 Tagen, die Jesus in der Wüste war. Genau dieser Gedanke wird hier aufgenommen.

Fasten ist Wüstenerfahrung. Das heißt Rückzug in ein Gebiet, das von mir abverlangt, dass ich mich auf das Wesentliche konzentriere. Genau das ist das, was notwendig wäre in unserer Fastenzeit, die uns erschlägt mit vielem, was eigentlich irgendwo anders hingehört. Um es mal etwas platt zu sagen: Wer den Festtagsbraten vor dem Fest auffrisst, hat beim Fest keine Lust mehr, was Gutes zu essen. Und er hat auch keinen Braten mehr.

DOMRADIO.DE: Welche Anregungen geben Sie zum Beispiel in dem Fastenkalender?

Becker-Huberti: Seine Zeit zu erfassen, wie sie kommt. Das heißt, die Feste einmal wahrzunehmen, die gefeiert werden. Zu sehen, dass es Lichterfeste sind, dass diese Feste widerspiegeln, was Weihnachten geschieht. Das Licht kommt in die Dunkelheit und das passiert, wenn die Dunkelheit nicht aus lauter Licht besteht. Wir haben inzwischen, weil wir sparen müssen, das Licht ein bisschen zurückgedreht, aber ansonsten waren wir von einer Helligkeit umfasst, die dann das kleine Licht nicht mehr sehen ließ. Und wir tun gut daran, uns zu beschränken, uns zu überlegen: Was müssen wir eigentlich alles haben, um glücklich zu sein? Und wir werden feststellen, dass es sehr viel weniger ist und dass das Glück eigentlich im Sein besteht und nicht im Haben.

DOMRADIO.DE: Es sind auch Rezepte im Fastenkalender mit dabei. Widerspricht das nicht dem Fasten?

Becker-Huberti: Nein. Wer weniger isst, darf durchaus gut essen. Das heißt, es wäre klug, genau darauf zu achten, dass man die Sinne fordert und fördert, aber dass man sie nicht überfordert, indem man sie ihm zuspeist mit Masse. Hier beim Fasten kommt es darauf an, wirklich auch genießen zu können.

DOMRADIO.DE: Für wen ist der Fastenkalender gedacht?

Becker-Huberti: Eigentlich für jeden, der nachdenklich ist oder es werden will. Das kann nur nützlich sein für jeden, mal über seine eigene Position nachzudenken und rauszukommen aus dem Schneckenhaus der Sicherheit, in das er gekrochen ist. Wir alle haben es nötig, dass wir uns gelegentlich mal wieder in Frage stellen. Und so ein Adventfastenkalender stellt die Frage und das ist nützlich.

Das Gespräch führte Dagmar Peters.

Hinweis: 

ADVENTfasten von St. Martin bis Weihnachten Impulse, Rezepte, Brauchtum.

Manfred Becker-Huberti / Brigitte Goßmann

St. Benno Verlag, ISBN: 978-3-7462-6198-0, www.vivat.de

 

Quelle:
DR