Die Fastenzeit ist für viele Menschen ein Anlass, schlechte Gewohnheiten abzulegen und neue zu etablieren. Wichtig ist dabei für Paraskevi Mavrogiorgou, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, eine gute Vorbereitung. Zunächst müsse man erkennen, welche Gewohnheiten einen schlechten Einfluss auf das Leben haben. "Etwas, was mir Entspannung bringt und durch das ich meinen Tag dann besser bearbeiten kann, ist gut für mich.“, meint die Professorin. Schlechte Gewohnheiten lassen sich herausfiltern, indem man überprüft, ob die Gewohnheit zu dem beiträgt, was man täglich erreichen will. Oder auch, ob man durch die Gewohnheit in eine schlechtere Stimmung kommt.
Georg Juckel ist ebenfalls Facharzt für Psychatrie und Psychotherapie. Er betont nochmal, dass Gewohnheiten auch etwas sind, mit denen man sich wohlfühlen kann. "Das ist wie so ein Zuhause, was man auch nicht täglich wechselt, sondern man hat seine Abläufe und das ist etwas, was einen nicht nur stützt, sondern was man durchaus wertschätzt.“ Daher müsse nicht direkt jede Gewohnheit, die nicht zur Produktivität beiträgt, abgelegt werden.
Gewohnheiten können auch problematisch und gesundheitsschädlich sein, wie zum Beispiel ein tägliches Bier zum Feierabend. Es wird auch dann pathologisch, wenn man durch den Zwang einer Gewohnheit beispielsweise Verabredungen absagt oder andere Aktivitäten vernachlässigt. Ob eine Gewohnheit schlecht ist, könne man manchmal nicht selbst erkennen, sondern wird durch Menschen aus dem Umfeld darauf hingewiesen.
Alte Gewohnheiten ablegen
Um schlechte Gewohnheiten abzulegen, brauche es oft einen "radikalen Schnitt", meint Ärtzin Mavrogiorgou. "Es gibt Menschen, die wollen mit etwas sofort aufhören und die schaffen das. Und andere brauchen eher diese langsame Umgewöhnung oder Umlernen."
Bei der Umgewöhnung kann es auch helfen, sich zu fragen, warum man eine Gewohnheit ausübt und ob es vielleicht einen unterbewussten Grund dafür gibt. Ein Beispiel wäre dabei, dass viele Menschen in Momenten des Wartens, des Überbrückens immer auf ihr Handy schauen müssen. Diese Gewohnheit fiele vielen schwer abzulegen. Georg Juckel schlägt dazu verschiedene Strategien vor: "Es gibt feste Handyzeiten. Zu bestimmten Zeiten dürfen Sie einfach Ihr Handy nicht benutzen." Dann könnten in den bestimmten Momenten Entspannungstechniken helfen. Man könne zum Beispiel auch gewisse Skills anwenden. "Dass sie irgendwas dagegensetzen können, dass ihre Leere quasi ausfüllt. Dann meinetwegen auch Büroklammern zerstören oder ähnliches."
Neue Gewohnheiten etablieren
Neue Gewohnheiten lassen sich einfacher und vor allem dauerhaft etablieren, wenn die Aktivität einem Freude bereitet, sagt der Facharzt. Dabei könne es auch helfen, die Tätigkeit mit anderen Menschen auszuüben. "Die Etablierung neuer Gewohnheiten hat oft mit Rahmenbedingungen und anderen Menschen zu tun", meint Juckel.
Seine Kollegin ergänzt: "Die neue Gewohnheit muss auch zu ihrem Leben, zu ihrer Person und zu ihrer Persönlichkeit passen.“ Wenn das nicht der Fall ist, wäre es unwahrscheinlich, dass die Person die neue Tätigkeit wirklich durchhalte.
Um die richtige Tätigkeit für sich zu finden, würde es sich lohnen "viel auszuprobieren, denn von zehn Sachen ist vielleicht eine Sache dabei, die passt", so Juckel.
Es könne also durchaus ein längerer Prozess sein, bis man eine neue Gewohnheit etablieren könne. Die Ärztin Mavrogiorgou erinnert auch daran, nicht so streng zu sich zu sein: "Man muss sich jetzt dann nicht ständig kasteien und sagen: Ich bin ein schlechter Mensch, weil ich meine Ziele nicht erreichen, das bringt ja auch nichts."
Gewohnheiten besser nicht in der Fastenzeit ändern
Für das Psychiater-Ehepaar ist die Fastenzeit nicht der beste Zeitpunkt, um das Thema Gewohnheiten anzugehen. Ein Problem dabei sei, dass die Fastenzeit ein "Taktgeber von außen" ist, so Mavrogiorgou. Man befände sich dadurch in einem äußeren Zwang, da man nur das tue, was alle tun. "Also mache ich das auch, unabhängig davon, ob das gut oder richtig für mich ist", erklärt sie weiter. "Das hält aber nicht lange an, weil das nicht von innen heraus kommt."
Eigentlich könne man erst nach der Fastenzeit damit anfangen, Gewohnheiten abzulegen oder neu zu etablieren. "Das Prinzip des Fastens ist die Reise zu mir selbst und dabei zu erkennen, was mir guttut. Erst danach kann ich die Gewohnheiten, die schlecht sind, ablegen und die Guten beibehalten oder die Schlechten ersetzen durch die Guten", erklärt Mavrogiorgou.