Hätte Wolfgang Eychmüller diesen Tag erleben können, er hätte sich vermutlich sehr gefreut: Der 2013 verstorbene Unternehmer war 40 Jahre lang Vorsitzender des Ulmer Münsterbauvereins und sammelte in dieser Funktion viele Millionen für den Erhalt einer der größten evangelischen Kirchen Deutschlands.
Seine Arbeit wirkt über seinen Tod hinaus. Denn anlässlich der Beerdigung Eychmüllers im September 2013 wurde so viel Geld gespendet, dass seine Familie entschied, diese Summe zur Komplettierung der großen Kirchenfenster im Südschiff des Ulmer Münsters zu spenden. Bis zur Bombardierung Ulms war hier eine einheitliche Reihe künstlerisch gestalteter Glasfenster eingebaut gewesen, die im Dezember 1944 zerstört wurden. Nach und nach, immer wenn Geld vorhanden war, schufen zwischen den 50er Jahren und der Gegenwart Künstler Fenster - doch eine Lücke blieb.
Paderborner Glasmalerei hat sich im Wettbewerb durchgesetzt
Diese Lücke schließt sich nun. Der aus Mecklenburg-Vorpommern stammende Glaskünstler Thomas Kuzio entwarf ein Fenster, das aus mundgeblasenem Glas und Bleiruten das alttestamentarische Motiv der Taube mit dem Ölzweig aus dem ersten Buch Mose zeigt. Dieses von der Paderborner Glasmalerei Peters aus wertvollem mundgeblasenem Glas hergestellte "Friedensfenster" wird der Öffentlichkeit am Pfingstsonntag in einem Festgottesdienst präsentiert.
Sechs Künstler waren zum Wettbewerb um die Gestaltung eines solchen Friedensfensters eingeladen worden. Der 59-jährige Thomas Kuzio überzeugte das Entscheidungsgremium mit seinem Entwurf, weil er sich am intensivsten mit dem Münster an sich und den vorhandenen Fenstern in ihrer Raumwirkung auseinandergesetzt habe, wie Pfarrer Peter Schaal-Ahlers erläutert.
Spannungsbogen durch Lichtführung und Farbwahl
Kuzio musste sich entscheiden zwischen den beiden Möglichkeiten, zusätzlich zum Spannungsbogen der vorhandenen Fenster aus verschiedenen gestalterischen Phasen des 20. Jahrhunderts einen weiteren Akzent zu setzen - oder die Brücke zu schlagen, um genau diesen Spannungsbogen durch Lichtführung und Farbwahl zu einer Einheit werden zu lassen. Der Künstler wählte die zweite Möglichkeit.
Kuzio zitiert in seinem Werk aus der Farbgebung der vorher vorhandenen Fenster und zusätzlich aus dem immer wieder eingesetzten Gestaltungselement von Kreissegmenten.
Das Kunstwerk wiegt fast eine Tonne
Das Friedensfenster ist 13,10 Meter hoch und 2,40 Meter breit. Das Kunstwerk, gearbeitet in einer bereits in der Romanik und Gotik verwendeten Technik, wiegt fast eine Tonne und kostete rund 280.000 Euro. Die Bleiruten, die die Farbfelder voneinander abgrenzen und das Kirchenfenster zudem stabilisieren, verwendet Kuzio dabei auch als Elemente der Gestaltung.
In der letzten April-Woche eingebaut, bleibt das Friedensfenster bis Pfingsten mit einem langen Teppich verhüllt, den das Münster vom Theater Ulm bekam. Am Vorabend des Pfingstsonntags fällt der Teppich für diejenigen, die die Gestaltung des Friedensfensters mit ihren Spenden ermöglichten. Im Festgottesdienst am Pfingstsonntag wird das Fenster dann eingeweiht und dabei erstmals auch für die Öffentlichkeit zu sehen sein.