Altbundespräsident Joachim Gauck sagte in seiner Festrede im Dom am Samstagabend: "Der Wormser Dom wirkt auf mich wie ein Fels in der Brandung." Der Dom solle "ein offener und weiter Raum des Lebens sein, in dem die Sehnsüchte und Fragen der Menschen gedeihen und blühen können".
Der Altbundespräsident mahnte die Politik zu einem klaren "Bekenntnis zu Europa". Wörtlich sagte er: "Wir brauchen eine Bereitschaft, wieder etwas zu riskieren für dieses Europa." Als Zusammenschluss sei Europa "zukunftssichernd, ausgleichend und friedensstiftend".
Gauck: Grenzen nicht für alle öffnen
Zugleich warb Gauck für ein "pragmatisches" Vorgehen in der Flüchtlingspolitik. "Um offen zu bleiben für Menschen in existenzieller Not, sind Begrenzungen für jene nötig, denen am aktuellen Aufenthaltsort keine Gefahr droht", sagte Gauck. "Um unseren Staat und unsere Gesellschaft nicht zu überfordern und die Demokratie zu bewahren, kann Deutschland seine Grenzen nicht für alle öffnen", so der Altbundespräsident.
Die Politik müsse "auch steuern" und letztlich auf die Zustimmung von Mehrheiten setzen, um handlungsfähig zu bleiben. Mit Blick auf Europa schlug Gauck vor: "Wir lassen keinen im Stich, der vor Krieg und Terror zu uns flieht." Die "übrige Einwanderung" solle aber den Regelungen der EU-Staaten überlassen bleiben, forderte der 78-Jährige.
Der frühere evangelische Pastor und DDR-Bürgerrechtler erinnerte daran, dass die Kirchen in der DDR Orte waren, in denen eine Gegenkultur zur Staatsideologie gelebt worden sei. "Kirchen waren lebendige Gemeinden, die sich für das Gemeinwesen verantwortlich fühlten."
Kohlgraf: Für "menschenfreundliche" Kirche
Am Sonntag warb der Mainzer katholische Bischof Peter Kohlgraf in einem Festgottesdienst für eine "menschenfreundliche" Kirche. "Wir müssen als Kirche gut achtgeben, dass wir ein Raum sind und bleiben, in dem das geknickte Rohr nicht gebrochen, und der glimmende Docht nicht ausgelöscht wird durch liebloses Urteil und Verurteilung", sagte Kohlgraf bei seiner Predigt im Wormser Dom.
"Ich glaube, dass wir mit unserer Botschaft Orientierung geben können, aber viele Menschen suchen die Antworten nicht mehr bei uns", betonte er. Es genüge deshalb nicht, "auf Traditionen zu setzen". Die "alten Bekenntnisse" müssten ins eigene Leben übersetzt werden.
"Unbestritten die Krone der Stadt"
Vor genau 1.000 Jahren, am 9. Juni 1018, hatte Bischof Burchard die Kathedrale geweiht. Burchard leitete das damals noch bestehende Bistum Worms, das nach der Französischen Revolution um 1800 aufgelöst wurde. Der Dom verlor damit seine Bedeutung als Bischofssitz. Er ist heute eine Pfarrkirche des Bistums Mainz.
Der Wormser Dom gehört zusammen mit den Domen von Mainz und Speyer zu den drei romanischen Kaiserdomen am Rhein. Der Wormser Propst Tobias Schäfer sagte beim Festakt, der Dom sei "unbestritten die Krone der Stadt".
Den Abschluss der Festwoche bildete am Sonntagabend ein Glockenkonzert mit dem neuen Domgeläut.