DOMRADIO.DE: Sie selbst sind Jüdin. Sie haben dieses tiefe Bedürfnis, mit anderen Gläubigen ein, wie Sie es nennen, Freudenfest zu feiern. Warum?
Anja Fahlenkamp (Organisatorin Festival der Religionen): Ich bin in Deutschland als Jüdin aufgewachsen und war natürlich immer schon im interreligiösen Dialog mit anderen. Allerdings habe ich das Gefühl, dass die Begegnung mit Menschen anderer Religionen oft durch Labels behindert wird oder durch bestimmte Vorstellungen, wie eine andere Religion ist, was auch mit vielen Ängsten zusammenhängt.
Und ich finde, Musik ist ein wunderbares Medium, um den Menschen hinter dem religiösen Label sichtbar zu machen und sich auf einer Sympathie-Ebene, auf einer persönlichen Ebene, kennenzulernen und mögen zu lernen.
DOMRADIO.DE: Das heißt, Musik spielt bei diesem Festival eine wichtige Rolle. Was kann man genau erleben?
Fahlenkamp: Das ganze Festival dreht sich um das Bühnenprogramm, das im Zentrum steht. Dort kann man im halbstündigen Wechsel Musik und Tanz vieler verschiedener Religionen erleben, von indischem Tempeltanz über türkisch-alevitische Musik, Reggae eines Rastafari, schamanische Trance-Musik oder auch Mantras der Hare Krishnas. So kann man eintauchen und ganz viele Eindrücke erleben. Und das so passiv wie man möchte oder auch so aktiv, wie man möchte.
DOMRADIO.DE: Die Menschen erleben, das erzählen sie dann später, wenn sie dieses Festival besucht haben, eine Verbindung zu anderen Gläubigen. Ich habe zum Beispiel eine muslimische Freundin, fühle mich einfach, weil ich weiß, dass sie gläubig ist, auch mit ihr stärker verbunden, obwohl es keine Glaubensschnittstelle gibt. Zusammen in die Moschee, in die Kirche - ich traue mich auch ehrlich gesagt gar nicht, sie zu fragen: Kann man Hemmungen abbauen durch so ein Festival? Einfach dadurch, dass man das andere sieht und erlebt?
Fahlenkamp: Ja, natürlich. Aber es ist wichtig, dass es hier eigentlich auch um einen sicheren Raum geht, sich auszutauschen. Dabei geht es gar nicht darum, für Religion als solche zu werben, sondern für die Menschlichkeit zu werben und zu zeigen, dass wir eben ganz viel teilen. Das Bühnenprogramm wird komplementiert durch einen Markt der Vielfalt, wo man verschiedene Religionsgemeinschaften kennenlernen kann und man sich einfach unterhalten kann.
Auch haben wir dieses Jahr im Festival-Programm erstmalig ein Welt-Café der Religionen. Da gibt es einen Raum und einen Zeitraum, wo man sich einfach so mit anderen Festival-Besuchern austauschen kann und dazu anregt Fragen zu stellen, über den Glauben der anderen, und auch vielleicht darüber, wie es ist, als Mitglied einer religiösen Minderheit in Deutschland zu leben. Denn auch darüber sollte es einen Austausch geben und in einem sicheren Raum wird er dann umso offener. Und Musik hilft einfach dabei, diese Offenheit zu schaffen.
DOMRADIO.DE: Würden Sie sagen, das ist in der heutigen Zeit vielleicht auch wichtiger denn je, denn Religion oder religiös zu sein, ist ja irgendwie negativ behaftet. Oder erleben Sie das auch so?
Fahlenkamp: Ja, ich glaube, es gibt durch die zunehmende Säkularisierung, die ich auch persönlich überhaupt nicht schlimm finde, einen immer größeren Abstand zu Menschen, die religiös sind. Und dieser Abstand macht es auch leichter gegen religiös andere oder kulturell andere zu hetzen, unter dem Vorbehalt der religiösen Differenz.
Ich werbe gar nicht für Religion. Es ist mir wichtig zu sagen, dass es keinen missionierenden Ansatz gibt in dem Festival. Niemand soll gehen und sich für eine neue Religion begeistern, die er jetzt neuerdings annehmen möchte. Nein, es geht einfach darum, für Menschlichkeit zu werden. Denn unabhängig davon, ob ich jetzt an einen Gott glaube oder mehrere Götter oder an gar keinen, so kann ich ja trotzdem an bestimmte menschliche Werte glauben, die wir für unsere Gesellschaft brauchen.
DOMRADIO.DE: Im Bürgerhaus Stollwerck findet das Festival statt am 14. Mai ab nachmittags und es ist kostenlos?
Fahlenkamp: Der Eintritt ist kostenlos, der Zugang zu allen Workshops ist kostenlos. Die Veranstaltung geht von 14 bis 22 Uhr.
Das Interview führte Verena Tröster