Rassismus-Diskussion um Weihnachtskrippen

"Figuren historisch akkurat abbilden"

Im Ulmer Münster soll die Krippenfigur des Melchiors ausgetauscht werden, da sie rassistisch geprägte Stereotype bediene. So will man einer möglichen Rassismusdebatte entgehen. Ein sinnvoller Schritt?

Klassische Krippe / © PixelDarkroom (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Wie reagieren Sie darauf? Ist dieser Melchior diskriminierend, muss er entfernt werden?

Gennet Patt (Vorsitzende der katholischen Landjugend im Erzbistum Köln): Die Debatte an sich gibt es natürlich schon länger. Und dieser Melchior war mir auch bekannt vom Sehen her. Wenn man sich den anschaut, sehr dicke Lippen, die Ohrringe, die Hautfarbe, die Gesichtsstruktur der Figur, das ist schon sehr pauschalisierend schwarzen Menschen gegenüber. Und so funktioniert das natürlich nicht.

DOMRADIO.DE: Warum pauschalisierend?

Patt: Weil wir nicht alle so aussehen. Das ist so das Bild, wenn man auch den Sarotti-Mohr sich ansieht, das es schon immer von schwarzen Menschen gab. Aber wir sehen komplett anders aus. Ich habe persönlich von meinen Gesichtszügen her überhaupt keine Ähnlichkeit mit dieser Figur. Noch nicht mal die Hautfarbe. Ich habe auch eine andere Hautfarbe als dieser Sarotti-Mohr. 

DOMRADIO.DE: Ab wann sind denn solche Darstellungen diskriminierend?

Patt: Sobald man versucht, mit einem Bild einen viel größeren Bereich abzudecken, als eigentlich möglich ist. Wenn man sagt: 'Okay, alle Krippenfiguren sind weiß, außer dem Melchior, der sehr, sehr schwarz ist.' Und wenn der dann auch das größtmögliche Gegenteil aller anderen Figuren zeigt, dann funktioniert das nicht. Weil man irgendwie mit dieser einen Figur versucht, eine riesige Menschengruppe abzubilden, die aber in sich so unterschiedlich ist.

DOMRADIO.DE: Könnte man nicht auch meinen, durch diesen Melchior, der da eine schwarze Hautfarbe trägt, wird mehr Vielfalt geschaffen an der Krippe, und auch schwarze Menschen oder people of color sind dadurch vertreten?

Patt: Das glaube ich, dass das so gemeint ist, aber so kommt es nicht rüber. Es kommt eher so rüber, als dass gesagt wird: Ach, wir haben jetzt hier eine Vielfalt von weißen Figuren und den einen Schwarzen stellen wir jetzt da auch noch hin, um diese Diversität auch noch abzubilden. Es ist schon klar, dass die Figur allein deswegen diese Gesichtszüge, die Hautfarbe hat und nicht, weil es wirklich um die eigentliche Herkunft der Figuren geht.

DOMRADIO.DE: Haben Sie das schon immer so wahrgenommen, dass es da einen schwarzen König gibt an der Krippe?

Patt: Ja. Ich war auch selber Sternsingerin und da war auch immer sofort klar, ob ich wollte oder nicht, welche Figur ich werde. Natürlich hätte ich mich dagegen wehren können, aber der Gruppendruck war dann doch trotzdem da. Das habe ich dann auch nicht gemacht. Es ist viel deutlicher, wenn man das Pferd so ein bisschen von hinten aufzäumt, dass alle Figuren weiß sind. Und auch wenn der Melchior da abgebildet ist, der ist zwar schwarz, aber der sieht ja trotzdem gar nicht aus wie ich.

DOMRADIO.DE: Wie sollte man Ihrer Meinung nach denn damit umgehen, mit diesen Heiligen Drei Königen. Sollen die Melchiors überall ausgetauscht werden, oder was wäre da der richtige Weg?

Patt: Also für mich persönlich am sinnvollsten wäre eine akkurate Darstellung der Figuren, wie sie wirklich aussahen. Das Problem ist natürlich, dass mit diesen Heiligen Drei Königen ja auch gezeigt werden möchte, es sind Menschen aus aller Welt zu dieser Krippe gekommen. Und dafür steht ja, glaube ich, auch vor allem dieser Melchior. An sich habe ich da auch kein Problem mit. Aber ich weiß ja auch, dass es eben nicht stimmig ist. Problematisch wird es dann, wenn die Menschen daraus falsche Informationen ziehen und irgendwie nur diese beiden Seiten abgebildet werden. Am besten wäre es, wenn die Figuren historisch akkurat, soweit es geht, abgebildet werden.

DOMRADIO.DE: Aber das ist ja nun mal nicht der Fall. Ist es denn dann jetzt richtig, dass man in Ulm zum Beispiel gesagt hat, da sind die Stereotype einfach so sehr ausgeprägt worden, und die sind nun mal auch so übertrieben, dass das diskriminierend sein kann oder sogar immer ist, also sollte die Figur ausgetauscht werden?

Patt: In Ulm würde ich sagen, ja, weil diese Figur sehr drastisch überstrapaziert wird.

DOMRADIO.DE: Wie könnte man denn mehr Vielfalt erreichen?

Patt: Indem man die Menschen darüber aufklärt, was Vielfalt eigentlich bedeutet und was damit zusammenhängt, wie die Figuren wirklich aussahen. Also ob man die jetzt in der Krippe darstellt oder ob man es wirklich in einer Messe oder so auch thematisch behandelt. Wenn die Menschen darüber wirklich auch in der Kirche aufgeklärt werden, entsteht, glaube ich, ein gewisses Verständnis people of color gegenüber. Und dadurch werden auch mehr die Pforten geöffnet.


 

Gennet Patt (privat)
Quelle:
DR