Im chinesischen Fuzhou ist am Samstag die 44. Tagung des Welterbekomitees der Weltkulturorganisation Unesco zu Ende gegangen. Seit Mitte Juli hat das Komitee weitere 34 Stätten auf vier Kontinenten zum Erbe der Menschheit erklärt, darunter fünf mit deutscher Beteiligung. Mit der maritimen Handelsstadt Liverpool wurde zum dritten Mal eine Stätte von der Welterbeliste gestrichen.
Die Delegierten absolvierten ein riesiges Arbeitspensum - zumal auch die wegen Corona liegengebliebenen Nominierungen aus dem Jahr 2020 entschieden werden mussten. Auf der Liste des Welterbes stehen damit jetzt 1.154 Kultur- und Naturstätten in 167 Ländern.
Einige Welterbestätten bedroht
52 davon gelten als bedroht, etwa durch bewaffnete Konflikte, Klimawandel, Naturkatastrophen oder Baumaßnahmen. Pünklich zum Ende der Tagung wurde bekannt, dass ein Gericht in London die Genehmigung für den Bau eines Autotunnels in der Nähe der prähistorischen Kultstätte Stonehenge aufgehoben hat.
Verkehrsminister Grant Shapps habe keine Alternativen berücksichtigt, um eine Lösung im Einklang mit der Welterbekonvention zu finden, hieß es. Der 3,2 Kilometer lange Tunnel soll zwar nicht direkt unter dem Denkmal verlaufen, sein Eingang soll aber auf dem Gelände liegen. Die Unesco hatte damit gedroht, der Stätte den Status als Welterbe zu entziehen.
Massentourismus und Klimawandel
Deutschland verzeichnet nunmehr 51 Welterbestätten. Alle fünf Bewerbungen waren erfolgreich: die Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt und das jüdische Kulturerbe in Mainz, Speyer und Worms; außerdem die grenzüberschreitenden Projekte des Niedergermanischen Limes (mit den Niederlanden), des Donaulimes (mit Österreich und der Slowakei) sowie die bedeutenden Kurstädte Europas (mit Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich und Tschechien).
Ein Grund zum Feiern also an vielen Orten. Doch die Präsidentin der deutschen Unesco-Kommission, Maria Böhmer, macht deutlich, dass der Welterbe-Titel "Fluch und Segen zugleich" bedeuten könne. Welterbestätten wie der Kölner Dom oder Venedig etwa leiden auch unter der großen Masse von Touristen. Venedig hat ab Sonntag ein Einfahrverbot großer Kreuzfahrtschiffe erlassen. Kulturminister Dario Franceschini verteidigte den Beschluss mit der Begründung, ansonsten sei Venedig als Kulturerbe ernsthaft gefährdet. Die Lagunenstadt steht seit 1987 auf der Welterbeliste. Die Unesco hatte zuvor mehrfach ein solches Verbot gefordert; andernfalls könne Venedig als gefährdeter Weltkulturerbeort eingestuft werden.
Neben "Over-Tourism" setze auch der Klimawandel vielen Welterbestätten zu, sagte Böhmer dem "Tagesspiegel". Das könne man etwa am Great Barrier Reef in Australien sehen. Auch in Deutschland könnten Überflutungen oder Hitzeschäden dem Kulurerbe zusetzen, so Böhmer. "Was geschieht bei anhaltender Trockenheit mit dem sehr alten Baumbestand in Sanssouci oder im Gartenreich Dessau-Wörlitz?" Die Unesco-Generalversammlung will dazu im Herbst ein Papier vorlegen.
Kritik an Auswahlkriterien
Schon seit Jahren gibt es auch eine Debatte über die Auswahlkriterien und die Bedeutung der Auszeichnung. Für viele Bürger und Politiker gleicht die Vergabe des Titels einem Adelstitel oder einer Seligsprechung. Die Zuerkennung von "außergewöhnlichem universellen Wert" kann hohe Energien für die Erhaltung ausgezeichneter Stätten freisetzen.
Kritiker verweisen aber zugleich auf eine mögliche Inflation der Welterbe Auszeichnungen, die den Wert des Titels schrumpfen lassen könnte. Zugleich werden immer wieder eine starke Bevorzugung europäischer Kultur- und Naturstätten sowie eine gewisse Willkür bei der Auswahl beklagt. Schon innerhalb Deutschlands lässt sich fragen: Warum sind die Dome zu Speyer, Aachen, Hildesheim und Köln Weltkulturerbe, aber nicht die zu Worms, Mainz und Magdeburg oder die Münster von Ulm oder Freiburg? Warum die Berliner Museumsinsel, aber nicht der Münchner Königsplatz?
Trotz aller Debatten: Die Karawane zieht weiter. Die 45. Sitzung des Welterbekomitees findet im Sommer 2022 in Russland statt. In Kasan soll dann unter anderem über die Welterbe-Nominierung der Alten Synagoge und Mikwe in Erfurt entschieden werden.
Von Christoph Arens