Nach Vulkanausbruch im Kongo droht humanitäre Katastrophe

Flucht vor dem Inferno

Krieg und Terror quälen die Menschen im Ost-Kongo seit vielen Jahren. Nun kommt auch noch die Gewalt der Natur dazu. Der Ausbruch des Mount Nyiragongo bedroht Hunderttausende, Helfer befürchten das Schlimmste.

Autor/in:
Markus Schönherr
Geflüchtete aus Goma versammeln sich an einer Lebensmittelverteilungsstelle in Sake, wo sie Unterschlupf gefunden haben. / © Moses Sawasawa/AP (dpa)
Geflüchtete aus Goma versammeln sich an einer Lebensmittelverteilungsstelle in Sake, wo sie Unterschlupf gefunden haben. / © Moses Sawasawa/AP ( dpa )

Alle zehn Minuten bebt die Erde unter den Füßen. Ein langer Riss zieht sich durch Goma, mitten durch die Stadt im Osten der Demokratischen Republik Kongo: einen halben Meter breit, hunderte Meter lang. Er ist ein Mahnmal für das Geschehene und gleichzeitig eine Warnung für das Inferno, das laut Experten vielleicht noch bevorsteht. Das Leben in Goma steht seit dem Vulkanausbruch am vergangenen Wochenende auf Pause. Am Donnerstag flohen erneut Zehntausende der rund 1,5 Millionen Bewohner.

Nachbeben erschüttern weiter die Region

Der Mount Nyiragongo im Virunga-Gebirge gilt als einer der aktivsten Vulkane Afrikas. Das bewies der 3.400 Meter hohe Berg einmal mehr vergangenen Sonntag, als er sein tropisches Umland mit Lava und Asche bedeckte. Das drohende Horrorszenario, bei dem weite Teile Gomas unter flüssigem Gestein begraben würden, blieb bislang aus. Luftaufnahmen zeigen, wie die Lava eine Schneise hinein in einen Vorort zieht, mehrere freistehende Häuser bedeckt, um dann wenige Hundert Meter vor dem Flughafen der Stadt zu erstarren. Nach offiziellen Angaben starben bei dem Ausbruch 32 Menschen, mehr als 900 Häuser wurden zerstört.

Die Situation bleibt angespannt. Fast eine Woche nach dem Ausbruch berichten Augenzeugen immer noch von Nachbeben. "Die Gefahr eines neuerlichen Ausbruchs ist real und die Angst spürbar", sagt Raphael Tenaud, Einsatzleiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) vor Ort. "Immer noch können wir in der Stadt alle fünf Minuten Erschütterungen wahrnehmen." Einige der seismischen Bewegungen seien sogar noch im 100 Kilometer entfernten Kigali, der Hauptstadt des Nachbarlands Ruanda, spürbar. Dorthin flohen zu Wochenbeginn Tausende Bewohner mit ihrem wenigen Hab und Gut.

Einige Vertriebene kehrten seither wieder zurück in der Hoffnung, der Vulkan habe sich beruhigt - nur um am Donnerstag erneut die Flucht anzutreten. Die Regierung ordnete eine Evakuierung von gut einem Drittel der Stadt an. "Die Straßen sind voller Menschen und es herrscht große Angst. Viele erinnern sich noch gut an die Ausbrüche und die Zerstörung von 2002 zurück", heißt es vom Roten Kreuz. Als der Vulkan am Kivusee damals Feuer spie, kamen fast 150 Menschen ums Leben.

Sorge vor humanitärer Katastrophe wächst

Die Helfer vor Ort fürchten, dass auf die Fluchtwelle in den kommenden Tagen eine humanitäre Katastrophe folgt. Denn die Naturgewalt trifft eine Region, die neben genereller Unterentwicklung von Jahren des Bürgerkriegs sowie Angriffen von Rebellen und Islamisten geschwächt ist. Erst zu Monatsbeginn verhängte die Regierung in der Hauptstadt Kinshasa wegen der Unsicherheit das Kriegsrecht über die Region. "Die Bewohner von Nordkivu kämpften bereits zuvor mit sozioökonomischen Herausforderungen und Jahrzehnten bewaffneten Konflikts", so Tenaud.

Auch sei der Osten des rohstoffreichen, aber armen Riesenlandes einer der "unsichersten" Orte Afrikas, wenn es um Ernährungssicherheit gehe. Die Lage der Hungernden werde durch den Vulkanausbruch verschlimmert. "Da die Hauptverbindungsstraße im Norden Gomas abgeschnitten und das fruchtbare Land in diesem Teil der Stadt zerstört ist, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Stadtbewohner in den kommenden Tagen Lebensmittelengpässe erleben werden", so das Rote Kreuz.

Die lokalen und internationalen Helfer der Organisation sind im Dauereinsatz. Unter anderem gilt es, ein Wasserreservoir zu flicken, das durch die Lava zerstört wurde. Eine halbe Million Bewohner von Goma lebt derzeit ohne Wasser. Daneben leistet das IKRK medizinische Hilfe für die Opfer von Bürgerkrieg und Vulkanausbruch und führt Familien wieder zusammen. "Innerhalb von 48 Stunden wurden fast 550 Kinder von ihren Familien getrennt", hieß es in einer Mitteilung. Für Einsatzleiter Tenaud zeichnet sich sechs Tage nach Beginn des Infernos ein verheerendes Bild für die Bewohner ab: "Dieses Desaster ist eine doppelte Strafe. Mit jeder Krise schwindet ihre Widerstandsfähigkeit weiter."


Kongo: Ein Vulkanausbruch des Mount Nyiragongo hat im Vorort Buhene am Stadtrand von Goma einen großen Schaden hinterlassen. / © Justin Kabumba/AP (dpa)
Kongo: Ein Vulkanausbruch des Mount Nyiragongo hat im Vorort Buhene am Stadtrand von Goma einen großen Schaden hinterlassen. / © Justin Kabumba/AP ( dpa )

Der Vulkan Mount Nyiragongo im Kongo. / © Thomas Markert (shutterstock)
Der Vulkan Mount Nyiragongo im Kongo. / © Thomas Markert ( shutterstock )
Quelle:
KNA