DOMRADIO.DE: Was war St. Pius denn für eine Kirche in Bad Neuenahr? Was für einen Stellenwert hat die?
Jörg Meyrer (Pfarrer Bad Neuenahr-Ahrweiler): Das ist eine Kirche, die 1969 gebaut wurde, also im Nachgang des Konzils. Sie hat auch versucht, die ganze Innovationen des Konzils in Stein zu bringen.
Die Kirche wurde zwischen zwei alten Kirchen in den Stadtteilen Bad Neuenahr und Ahrweiler gebaut. Leider war sie auch immer zu groß für die Gemeinde, die dann doch nicht so groß gewachsen ist, wie die Stadtplanung es damals ausgewiesen hatte.
In den letzten Jahren hat sie doch auch sehr unter dem Rückgang der Gottesdienstbesucher gelitten, sodass der Raum kaum noch von der Gemeinde gefüllt werden konnte.
DOMRADIO.DE: Spricht damit auch von der Entwicklung her etwas gegen den Wiederaufbau? Und auch von den Schäden her?
Meyrer: Es ist beides. Die Schäden sind tatsächlich von den fünf betroffenen Kirchen, die wir in der Stadt haben, die größten. Sie sind von Gutachten vor zwei Jahren mit 2,8 Millionen Flutschäden beziffert worden und 1,4 Millionen Dachschäden, die wir nicht über die Fluthilfen bezahlt bekommen und selber aufbringen müssten. Das ist ein riesen Batzen, den wir angesichts der vielen Flutschäden nicht tragen können, wie der Verwaltungsrat jetzt entschieden hat, weil wir auch keine Zuschüsse vom Bistum bekommen.
Das andere ist tatsächlich, dass sich die Frage wahrscheinlich auch in ein paar Jahren gestellt hätte, wie wir mit der Kirche umgehen, da auch schon manches an Renovierungen in den letzten Jahren nicht mehr finanziert werden konnte, zum Beispiel an der Orgel oder an der Elektroanlage. Das war auch schon vor der Flut nicht immer ganz einfach.
DOMRADIO.DE: Was machen Sie denn jetzt mit St. Pius?
Meyrer: Wir hatten eine AG, an der auch Mitglieder beteiligt waren, die sich dort um die Kirche auch jetzt noch versammeln und dort aktiv sein wollen. Da gab es mehrere Projekte, von denen wir jetzt den Aufbau als Kirche haben ausschließen müssen.
Wir hoffen, dass wir zusammen mit den Maltesern und dem Caritasverband ein Wohnbauprojekt dort realisieren können, vielleicht sogar auch zusammen mit einem Tageshospiz, weil wir glauben, dass das den Menschen im Ahrtal mehr dient, als noch einen Kirchenbau zu sanieren mit viel Geld.
Wir hoffen, dass wir da auch auf dem Wohnungsmarkt ein deutliches Zeichen setzen können, das vielleicht der Kirche heute ein innovatives Zeichen auch ganz gut steht.
DOMRADIO.DE: Sie sagen "wir hoffen". Hängt das noch ab von Finanzen, von Genehmigungen oder von noch etwas?
Meyrer: Das hängt zunächst mal von Finanzen ab. Der Bausektor ist im Moment in Deutschland etwas ganz Schwieriges. Das sagen uns alle, mit denen wir bisher gesprochen haben. Es braucht dafür Investoren.
Wir hoffen sehr, dass das ein Weg ist, mit dem Piusgelände gut umzugehen. Wir wollen es auf keinen Fall verkaufen und aus der Hand geben.
DOMRADIO.DE: Es sind jetzt zweieinhalb Jahre vergangen seit der Flut. Das ist jetzt nur ein Fall, der zeigt, wie langwierig die Bewältigung der Flutschäden ist. Wie zermürbend ist das?
Meyrer: Ich sage schon immer: Das Eis ist sehr dünn, auf dem wir stehen. Und die Kuh ist noch lange nicht vom Eis. Wir sind noch sehr angestrengt. Das gilt für viele Bauvorhaben, nicht nur im öffentlichen Bereich, sondern auch im privaten Bereich.
Natürlich gibt es ganz viele, die fertig sind. Aber die Schulen, die Kindergärten und auch bei einem Altenheim in der Stadt, da ist noch fast nichts passiert. Das sind noch immer große Lücken, auch im Alltagsgeschehen. Straßen müssen immer noch mal neu aufgerissen und neu bearbeitet werden. Das macht es den Menschen schon schwer, nach vorne zu schauen, gerade auch jetzt in der dunklen Jahreszeit.
DOMRADIO.DE: Am Anfang war ja die Hilfsbereitschaft und Solidarität gewaltig. Wie sieht es jetzt aus?
Meyrer: Die Hilfsbereitschaft ist immer noch groß. Allerdings können Menschen jetzt natürlich nicht mehr wie am Anfang ausräumen oder beim Putzabschlagen helfen, sondern jetzt ist es schön, wenn Menschen uns besuchen kommen, jetzt zu den Weihnachtsmärkten kommen, im Ahrtal wieder freie Zeit verbringen und so zeigen, dass sie ihre Solidarität mit uns noch immer lebendig ist.
Sie können auch für uns beten. Auch das ist ein Zeichen der Solidarität.
DOMRADIO.DE: Wie ist denn der Zusammenhalt in der Gemeinde? Hat sich da etwas verändert?
Meyrer: Das große Miteinander, das es am Anfang gab, ist nicht nur in der Gemeinde, sondern auch in der Bevölkerung wieder zurückgegangen. Als die einen schneller waren als die anderen, weil sie versichert waren oder schneller die Handwerker hatten, dann geht das wieder zurück.
Der Alltag läuft natürlich auch weiter und jeder geht wieder seiner eigenen Wege nach. Ich finde es schade, dass dieses wichtige Pfund, was wir nach der Flut hatten, verloren zu gehen droht. Wir können zwar daran erinnern, dass es das gab und dann gibt es auch immer noch wichtige Begegnungen und Berührungen, auch im eigenen Herzen.
Der Alltag ist aber doch stärker. Das Denken an sich selber und an die eigenen Aufträge ist dann näher als an diejenigen, die in der Nachbarschaft wohnen. Das ist sehr schade.
DOMRADIO.DE: Wie ist es denn für Sie als Pfarrer? Wenn man nur das Beispiel von St. Pius sieht, Sie haben ja mit ganz vielen Aufgaben zu tun, die immer noch obendrauf kommen. Haben Sie überhaupt genug Zeit, sich um die Gemeinde zu kümmern?
Meyrer: Das ist eine sehr schwierige Frage für mich. Einerseits wird das Personal auch weniger, auch bei uns. Wie überall an allen Stellen. Die Verwaltungsaufgaben und die Immobilien kosten natürlich auch viel Zeit. Und das, was hinter dieser Entscheidung zu St. Pius steht, waren lange Gespräche und vielfältige Einzelgespräche mit Gruppierungen und mit Schulen.
Und das ist nur ein Beispiel. Wir haben noch viele andere Gebäude. Ich bin nicht angetreten, um Immobilien zu verwalten, sondern bei Menschen zu sein. Das ist wirklich eine große Frage.
Das Interview führte Heike Sicconi.