Die Missbrauchsprävention in den fünf katholischen Bistümern in Nordrhein-Westfalen zeigt laut einer aktuellen Studie Wirkung. Die Bistümer würden sich "ihrer Verantwortung stellen und sich aktiv mit den Bedingungen auseinandersetzen, die sexuelle Übergriffe und Gewalt in ihren Gemeinden, Verbänden und Einrichtungen ermöglichen", erklärten die zuständigen Forscher aus Münster, Heidelberg und Berlin am Mittwochabend in Düsseldorf.
In der Studie "Kann Prävention wirken, wenn ja, wie?" hatten sie zuvor Konzepte zum Vorbeugen von Missbrauch in den Bistümern Köln, Paderborn, Essen, Aachen und Münster seit Bekanntwerden des Missbrauchsskandals im Jahr 2010 untersucht. Die Prävention sexualisierter Gewalt an Kindern, Jugendlichen sowie schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen zeige unter anderem dadurch Wirkung, dass die Gewalt früher erkannt und Übergriffe klar als solche bewertet und bearbeitet würden. Die Maßnahmen würden auch in Zahlen deutlich.
So habe es etwa allein im Erzbistum Paderborn im Jahr 2022 rund 521 Präventionsschulungen mit etwa 7.000 Teilnehmern gegeben. Zudem stehe die große Mehrheit der in der Kirche Beschäftigten hinter den Präventionsmaßnahmen. So laute ein Ergebnis einer repräsentativen Online-Befragung, an der über 5.000 Personen mitgemacht hätten. Zweifellos, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sei die Präventionsarbeit zu einem bedeutsamen und anerkannten Arbeitsfeld in den katholischen Bistümern in NRW geworden.
Zweifel an praktischer Umsetzung
Befragte Betroffene hätten die Wirkung von Prävention hingegen kritischer bewertet. Laut Forschern äußerten außerdem Kinder und Jugendliche Zweifel "ob der Respekt vor ihren Interessen und Ideen - trotz aller Schutzkonzepte und Präventionsprogramme - tatsächlich so tragfähig ist, dass sie sich vor Übergriffen und Verletzungen gut geschützt fühlen können".
Die Wissenschaftler mahnten an, dass die Anstrengungen weitergeführt und vertieft werden müssen. Zwar suchten Verantwortliche und Mitarbeitende in den Kirchen aktiv das Gespräch mit Betroffenen, um von ihnen etwas über Gelegenheiten, Orte und Strategien sexueller Übergriffe in der Kirche lernen zu wollen. Dies müsse aber qualifizierter und stärker in der Präventionsarbeit verankert werden, empfahlen sie.
Deutlich "Luft nach oben" sah das Forschungsteam auch bei der Beteiligung von Kindern, Jugendlichen sowie schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen. Es gelte daher, Konzepte für eine aktive und wirksame Beteiligung in der komplexen Organisation der Kirche und ihrer Einrichtungen zu entwickeln und zu erproben.
Studie nur der Anfang
Auch Betroffenenvertreter Karl Haucke forderte die Kirche dazu auf, nicht nachzulassen. "Das Thema sexualisierter Gewalt an Minderjährigen und Jugendlichen verbietet es uns, an irgendeiner Stelle der Entwicklungen innezuhalten", sagte Haucke, der Mitglied der Projektbegleitgruppe der Studie war. "Nach der Evaluationsstudie ist vor der Aufarbeitung", so Haucke.
Die Evaluation "Kann Prävention wirken, wenn ja, wie?" wurde von einem Forschungsteam des Instituts für Soziale Arbeit in Münster und des Forschungszentrums SOCLES mit Sitz in Heidelberg und Berlin erarbeitet. Die Studie wurde im Mai 2023 auf den Weg gebracht und ist nach Angaben der Bistümer einmalig in Deutschland. Als Vertreter der Auftraggeber der Studie kündigte der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer an, die Ergebnisse bekannt zu machen, um Pfarreien und Organisationen zur Selbstreflexion der eigenen Präventionsarbeit zu ermutigen.