Ethikrat-Vorsitzende: Corona verändert nicht das Menschenbild

Forschung zu Auswirkung der Maßnahmen nötig

Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, warnt vor Überspitzungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise. Die These, dass derzeit ein neues Menschenbild entstehe, halte sie für überdehnt.

Symbolbild: Abstand halten in Corona-Zeiten / © RoMiEg (shutterstock)
Symbolbild: Abstand halten in Corona-Zeiten / © RoMiEg ( shutterstock )

Das sagte Buyx im Interview der "Welt" (Samstag). "Wir müssen vielleicht auf bestimmte Elemente der Lebensfreude verzichten, aber wir verändern unser Menschenbild nicht. Ich finde es hysterisch, wenn ich Leute sagen höre, jetzt werden wir zu einem Volk von Depressiven und Nichtlachern."

Die Ängstlichkeit sei Studien zufolge angestiegen, räumte die studierte Medizinerin und Philosophin ein. Auch etwa durch Arbeitslosigkeit "kommt sicher noch viel auf uns zu". Die Folgen solcher schweren Krisen müssten abgefedert werden, betonte Buyx: "Das Mitdenken der psychischen Folgen etwa war ein Treiber für die Lockerungen im Sommer, aber im exponentiellen Wachstum treten diese Aspekte kurzfristig zurück. Da steht das absehbare Szenario einer Überlastung des Gesundheitssystems vielen anderen Effekten gegenüber, die erst in Zukunft und weniger berechenbar eintreten."

Fehlender "Corona-Knigge"

Bislang sei indes unterbelichtet, was die Maßnahmen mit den Menschen machten. Darüber brauche es mehr systematische Forschung, betonte die Ethikerin. Zudem fehle ihr so etwas wie ein "Corona-Knigge". Die Hoffnung auf einen Impfstoff oder Schnelltests schaffe "die Notwendigkeit des ständigen Abwägens und Lernens nicht aus der Welt". Insbesondere im private Bereich gelte es, "ein gesundes Maß" in Eigenverantwortung zu finden.

Zudem brauche es "eine kleine Bubble, in der man sich die körperliche Nähe weiter holt". Nähe zwischen Ehepartnern oder zwischen Eltern und Kindern lasse sich nicht verbieten. "Deswegen sind auch die am stärksten betroffen, die niemanden haben", so Buyx. Niemand müsse jedoch "immer mit acht Freunden Bussi Bussi machen, darauf kann ich phasenweise für ein, zwei Jahre verzichten."

Seit Frühjahr viel dazu gelernt

Die Wissenschaftlerin verteidigte die aktuell ergriffenen Maßnahmen. Im Vergleich zum Frühjahr sei viel gelernt worden: "Pflegeheime werden nicht hinter die Glasscheibe gepackt, Sterbende nicht allein gelassen, Väter kommen in den Kreißsaal, Kinder gehen weiter zu Schule." Ihr Eindruck sei zudem, dass viele Menschen widersprüchliche Gefühle durchaus aushielten: "Es gibt das Gros der Menschen, die wurschteln sich durch. Und das ist nicht abschätzig gemeint, es verdient ein Kompliment."


Quelle:
KNA
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