Bei ihrem Treffen im Ständigen Rat am kommenden Montag und Dienstag wollen die 27 deutschen Ortsbischöfe über mögliche Änderungen im Arbeitsrecht der katholischen Kirche entscheiden. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) beantwortet wichtige Fragen zur aktuellen Sachlage.
Warum haben die Kirchen in Deutschland ein eigenes Arbeitsrecht?
Das Grundgesetz räumt Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ein weitgehendes Selbstbestimmungsrecht ein - auch im Arbeitsrecht. Auf dieser Grundlage unterscheiden sich die Bedingungen für die rund 1,3 Millionen Mitarbeitenden der beiden großen Kirchen und ihrer Wohlfahrtsverbände von denen im weltlichen Arbeitsrecht.
Wo ist das kirchliche Arbeitsrecht geregelt?
Auf katholischer Seite gilt seit 1994 die "Grundordnung des kirchlichen Dienstes". 2015 haben die Bischöfe diese liberalisiert. Zuletzt gerieten aber auch diese Regelungen mehrfach in Konflikt mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Gerichtshofs für Menschenrechte (IGMR). Dabei ging es vor allem um die Antidiskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union.
In Deutschland scheint das Bundesarbeitsgericht in Erfurt eher weitere Liberalisierungen zu wünschen, während das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit Rückgriff auf das Grundgesetz eher die geltenden Regeln hochhält.
Für wen gilt die Grundordnung?
Sie gilt für alle Angestellten in katholischen Einrichtungen. Dazu gehören Bistümer, Pfarrgemeinden, Schulen, Kitas, Kliniken und Sozialeinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft sowie die Caritas.
Was bedeutet Loyalitätsverpflichtung?
Die Kirche darf von Mitarbeitenden eine Loyalitätspflicht einfordern. Wer hier arbeitet, muss etwa die "Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten". Auch darf man in der "persönlichen Lebensführung" sowie im dienstlichen Verhalten "die Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtung, in der sie
beschäftigt sind, nicht gefährden". Verstöße können zur Kündigung führen, etwa wenn jemand aus der Kirche austritt oder nach einer Scheidung erneut zivil heiratet.
Warum können homosexuelle und andere queere Menschen in der Kirche ihren Job verlieren?
Nach katholischer Lehre ist die kirchlich geschlossene Ehe zwischen Mann und Frau die einzig anerkannte. Allerdings gelten nach der Liberalisierung der Grundordnung von 2015 weder Homosexualität noch das Eingehen einer gleichgeschlechtlichen Ehe grundsätzlich als Loyalitätsverstoß. Eine Kündigung kann aber dennoch erfolgen, wenn die Partnerschaft "objektiv" dazu geeignet ist, "ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen und die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen".
Wer entscheidet darüber?
Der Dienstgeber. Dabei wird in der Regel darauf geachtet, ob jemand in einer Leitungsposition oder in «verkündigungsnahem Dienst» tätig ist, etwa als Pastoralreferent oder Religionslehrerin. Für diese Personen gelten höhere Anforderungen in Sachen Loyalität als etwa für Reinigungskräfte, Krankenpfleger oder Ärztinnen.
Darüber hinaus hat die Rechtsprechung der vergangenen Jahre den Freiraum der Kirchen eingeschränkt, solche Loyalitätsfragen selbstständig zu regeln. Viele treibt aber auch die Sorge um, wie man in einer immer säkulareren Welt mit solch hohen Anforderungen noch genügend Arbeitskräfte finden kann.
Gibt es bald ein neues kirchliches Arbeitsrecht?
Das wurde lange Zeit als sehr wahrscheinlich eingeschätzt. Eine Arbeitsgruppe auf Ebene des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) - also auf Ebene der Bischofskonferenz - hat im Mai einen Entwurf für eine überarbeitete, liberalere Grundordnung vorgelegt. Mittlerweile werden jedoch Vermutungen laut, dass die Bischöfe weniger weitreichende Entscheidungen treffen könnten als bislang angenommen.
Was sind die wichtigsten Neuerungen in dem Entwurf?
Bei den neu gefassten Loyalitätsverpflichtungen bleibt als einziger Kündigungsgrund "kirchenfeindliches Verhalten" erfasst. Privatleben, Familienstand und sexuelle Orientierung sollen keine Rolle mehr spielen. Die katholische Identität eines Unternehmens soll durch Leitbilder, eine christliche Organisationskultur und durch die Vermittlung christlicher Werte sichergestellt werden und nicht durch die private Lebensführung der Mitarbeitenden. Als Arbeitgeber will sich die Kirche aus den intimen Verhältnissen ihrer Angestellten heraushalten.
Wie wurde dieser Vorschlag aufgenommen?
Viele sprachen von einem Schritt in die richtige Richtung. Reforminitiativen geht der Entwurf aber nicht weit genug, manche kritisieren, der Begriff "kirchenfeindliches Verhalten" sei zu unscharf und lasse zu viele Interpretationen zu. Vielen konservativen Katholiken - auch im Vatikan - geht der Entwurf dagegen zu weit.
Aus Politik und Gewerkschaften gibt es zudem Stimmen, die das eigene Arbeitsrecht für die Kirchen insgesamt infrage stellen. Auch einige Bischöfe wie etwa Gregor Maria Hanke aus Eichstätt haben sich für die Übernahme des zivilen Arbeitsrechts ausgesprochen.
Erst in dieser Woche forderten Mitarbeitervertreter diakonischer Einrichtungen der evangelischen Kirche die Bundesregierung zur Abschaffung kirchlicher Extra-Regelungen aufgefordert. Der frühere DGB-Chef und heutige Grünen-Abgeordnete Frank Bsirske kündigte an, die Bundesregierung wolle im April über eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts beraten. Im Koalitionsvertrag steht, man wolle zusammen mit den Kirchen eine Angleichung des kirchlichen Arbeitsrechts an das staatliche ausloten.
Wird die neue Grundordnung jetzt wirklich beschlossen?
Letztlich bleibt jeder Bischof in seinem Bistum oberster Gesetzgeber. Deshalb kann eine neue Grundordnung zwar mit Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischöfe beschlossen werden; rechtsverbindlich wird sie aber erst dann, wenn ein Bischof sie in seinem Bistum in Kraft gesetzt hat.
Lange hieß es, die Bischöfe würden sich trotz aller Meinungsunterschiede sicher auf eine einheitliche Linie einigen, schon allein um einen "Flickenteppich" im kirchlichen Arbeitsrecht zu vermeiden. Denn der könnte dazu führen, dass etwa ein in zweiter Zivilehe lebender Arzt seinen Klinikjob im "sittenstrengen" Bistum A kündigt und ins "liberale" Bistum B wechselt. Aber ausgemacht ist das keineswegs angesichts der angespannten Lage in der Bischofskonferenz.