Mehrere Hundert Menschen haben mit einem gemeinsamen Gebet am Dienstagabend auf dem Bahnhofsvorplatz in Frankfurt am Main des getöteten achtjährigen Jungen gedacht. "Wir dürfen nicht zulassen, dass Gedanken von Hass um uns greifen", sagte Jutta Jekel, Pfarrerin der unweit des Bahnhofs gelegenen Evangelischen Hoffnungsgemeinde. "Gott hat uns geschaffen für das Mit- nicht das Gegeneinander." Der mutmaßliche Täter, ein 40-jähriger Familienvater mit eritreischer Staatsangehörigkeit aus dem Kanton Zürich, hatte das Kind am Montagvormittag auf das Gleis gestoßen. Der Junge war von einem ICE überrollt worden. Der Beschuldigte wurde am Dienstag dem Haftrichter vorgeführt.
"Wildes Spekulieren hilft nicht weiter", sagte Carsten Baumann, Leiter der ökumenisch geführten Bahnhofsmission. Die Tat werde von einigen Menschen nun in den sozialen Medien genutzt, um die Spaltung der Gesellschaft weiter voranzutreiben. Der Junge sei tot. Ob der
Täter Zuwanderer sei oder nicht, spiele keine Rolle, betonte Baumann. Es bleibe eine "sinnlose Katastrophe".
Die Fürbitten des Abends richteten sich an die Angehörigen des Kindes, aber auch an alle Mitarbeitende der Bahn, sowie "für alle, die diese brutale Tat mit ansehen mussten», sagte die katholische Pastoralreferentin Beatrix Henrich von der Dompfarrei St. Bartholomäus.
Der Tag nach dem Schattentag
Auch Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) verurteilte die Tat aufs Schärfste. "Wir wollen, dass dieses Verbrechen aufgeklärt wird", sagte der Politiker vor Ort. "Es tut gut, diesen Tag heute nicht allein zu verbringen. Dies ist ein Tag, der auf einen Schattentag folgt." Der Täter müsse seine gerechte Strafe erhalten. Gleichzeitig warnte auch Feldmann davor, das Verbrechen für politische Interessen zu missbrauchen.
Neben dem improvisierten Altar mit einem Blumenstrauß und einer Kerze lag ein Kondolenzbuch aus. Viele Besucher schrieben dort ihre Gedanken nieder. Gegen Ende der Andacht beteten alle Besucher gemeinsam das Vaterunser und fassten sich an den Händen. Den ganzen Abend lang legten Bahnreisende weiterhin Blumen und Kuscheltiere für den toten Jungen am Gleis sieben nieder.
Vor dem offiziellen Beginn der Andacht war die Stimmung auf dem Bahnhofsvorplatz aufgeheizt. Bündnisse wie "Aufstehen gegen Rassismus» waren mit Transparenten und Fahnen zum Bahnhof gekommen. Darauf stand unter anderem "Flüchtlinge willkommen". Einige Passanten lieferten sich mit ihnen lautstarke Diskussionen über Zuwanderung. Die Polizei war mit einem Großaufgebot angerückt. Während der Andacht waren im Hintergrund immer wieder Sirenen zu hören.